Wie aus einer Polizeimeldung ein Nachrichtentext wird

Pause für die Sprach-Polizei. Wenn es um Unwörter geht, ist sie nicht gefragt.

Die Polizeipressestellen der Polizeidirektionen geben regelmäßig Medieninformationen über Straftaten, Unfälle oder bemerkenswerte Vorfälle heraus. Oft genug mit dem Wunsch, Zeugen zu finden. Aber da die Autoren Polizisten und keine Journalisten sind, schreiben sie keine journalistischen Texte. Deshalb kommt hier die Verwandlung einer Polizeimeldung in einen Nachrichtentext.

Das Beispiel ist eine reale Pressemitteilung der Polizei, die allerdings bereits ein paar Jahre alt ist. Ich habe sie natürlich anonymisiert, wie ich es schon bei dem Beispiel vom langen und vom kurzen Grünkohl gemacht habe. Es geht ja nur darum, das Prinzip zu erkenne. Ich stelle allerdings seit ein, zwei Jahren fest, dass die Texte aus den Polizeipressestellen mittlerweile online-konformer geworden sind. Zunächst wird ein Teaser formuliert, dessen Inhalt dann genauer ausgeführt wird. Genauso wie es Redaktionen halten.

Hier die Original-Polizeimeldung

Am Montagnachmittag, 21.03.20xx, wurden die Polizeidienststellen in X-Stadt und Y-Dorf durch Steinwürfe beschädigt. Vor dem Hintergrund der eingeleiteten Ermittlungen wegen des Verdachts der Sachbeschädigung werden Zeugen gesucht, die Angaben zum weiteren Tatgeschehen machen können.

Nach derzeitigem Sachstand ereignete sich die Tat in Y-Dorf zwischen 13:30 Uhr und 16:55 Uhr. Unbekannte hatten ein Fenster der Polizeistation in der C-Straße mit einem Stein beworfen. Dadurch wurden ein Fenster und Mobiliar im Innenraum des Gebäudes beschädigt. Zum Zeitpunkt des Vorfalls befanden sich die Beamten nicht in dem Dienstgebäude, der Schaden wurde bei ihrer Rückkehr zur Dienststelle von der Präsenzstreife festgestellt. Im Rahmen der Ermittlungen werden Zeugen gesucht, die während der Tatzeit verdächtige Personen in der C-Straße nahe der Polizeistation festgestellt haben.

Wenige Stunden später ereignete sich ein ähnlicher Zwischenfall beim Polizeirevier von X-Stadt in der Q-Straße. Um 18.53 Uhr bemerkten mehrere im Gebäude anwesende Beamte kurz hintereinander zwei laute Geräusche. Schnell wurde festgestellt, dass sowohl die Verglasung der Eingangstür als auch die Scheibe eines daneben befindlichen Fensters stark beschädigt waren. Direkt vor den beschädigten Verglasungen befand sich jeweils ein größerer Naturstein.

Außerdem stellten die Beamten vor dem Eingangsbereich einen 62-jährigen Mann fest, der sich augenscheinlich in einem psychischen Ausnahmezustand befand. Er steht im Verdacht, die Sachbeschädigung in X-Stadt unter Zuhilfenahme von Steinen begangen zu haben. Gegen den Mann wurde ein Verfahren wegen des Verdachts der Sachbeschädigung eingeleitet. Aufgrund seines psychischen Ausnahmezustandes wurde der Mann zur weiteren Behandlung in eine Fachklinik gebracht.

Ob ein Zusammenhang zwischen beiden Taten besteht, wird jetzt im Zuge der Ermittlungen geprüft.

Die Höhe des Gesamtsachschadens steht zurzeit noch nicht fest.

Sachdienliche Hinweise zu beiden Taten nimmt die Polizei usw., usw. entgegen.

Kleine Anmerkungen zu typischen Formulierungen

Bevor jetzt die umgeschriebene und so von der Redaktion veröffentlichte Version kommt, zunächst ein paar Anmerkungen zu den verwendeten Formulierungen. Die Polizei stellt in fest jeder Polizeimeldung etwas fest. Anders können die Beamten sprachlich gar nicht. In diesem Fall stellten sie die Beschädigungen fest – das mag ja noch angehen – und sie stellten den mutmaßlichen Täter fest. Feststellen ist eines der Lieblingswörter der Verfasser von Polizeimeldungen.

Ein weiteres Lieblingswort ist das Tatgeschehen. Was würde sich an dem Inhalt ändern, wenn nur von der Tat geschrieben oder gesprochen würde? Gar nichts. Bei den sachdienlichen Hinweisen gilt dasselbe. Warum nicht einfach Hinweise schreiben? Ob sie sachdienlich sind, muss sich erst noch herausstellen. Und ein Zeuge wird das gar nicht einschätzen können. Ebenso überflüssig sind die „eingeleiteten Ermittlungen“. Ermittlungen reicht völlig. Polizeideutsch ist schon eine spezielle Art des Schreibens.

Die Version der Redaktion

Unbekannte haben am Montagnachmittag Steine auf die Polizeidienststellen in X-Stadt und in Y-Dorf geworfen. Beide Gebäude wurden dabei beschädigt. Die Beamten der Polizeistation X-Stadt ermitteln wegen Sachbeschädigung und suchen Zeugen.

Die Tat in Y-Dorf ereignete sich zwischen 13.30 Uhr und 16.55 Uhr. In dieser Zeit war das Revier in der C-Straße nicht besetzt. Erst als die Polizeibeamten von ihrer Streifenfahrt zurückkamen, bemerkten sie den Schaden. Der oder die Täter hatten ein Fenster der Polizeistation mit einem Stein beworfen. Dadurch wurden das Fenster und das Mobiliar im Innenraum des Gebäudes beschädigt.

Wenige Stunden später ereignete sich ein ähnlicher Zwischenfall beim Polizeirevier in X-Stadt in der Q-Straße. Um 18.53 Uhr hörten mehrere im Gebäude anwesende Beamte kurz hintereinander zwei laute Geräusche. Schnell entdeckten sie, dass sowohl die Verglasung der Eingangstür als auch die Scheibe eines benachbarten Fensters stark beschädigt waren. Direkt vor den beschädigten Verglasungen lag jeweils ein größerer Naturstein.

Vor dem Eingang stand ein 62-jähriger Mann, der sich offenbar in einem psychischen Ausnahmezustand befand. Die Beamten verdächtigen ihn, die Steine geworfen zu haben. Gegen den Mann ermittelt die Polizei jetzt wegen des Verdachts der Sachbeschädigung. Wegen seines psychischen Zustands wurde er in eine Fachklinik gebracht.

Im Fall von Y-Dorf sucht die Polizei Zeugen, die am Montagnachmittag verdächtige Personen in der Q-Straße nahe der Polizeistation gesehen haben. Ob ein Zusammenhang zwischen beiden Taten besteht, wird noch geprüft. Die Höhe des gesamten Sachschadens steht noch nicht fest.

Hinweise zu beiden Taten nimmt die Polizei usw., usw. entgegen.

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