Familie und Abstammung von Professor Gottlob Frege
Vortrag meines Vaters Christian Frege, gehalten am 12. Mai 2013 anlässlich der Gottlob-Frege-Konferenz in Wismar.
Mein Name ist Christian Frege, ein sehr oft bei unseren Vorfahren gebräuchlicher Vorname. Ich bin 1933 geboren, in Dresden aufgewachsen und seit über 60 Jahren wohne ich in Bad Gandersheim in der Gegend von Göttingen. Ich habe zuerst Landwirtschaft und später noch Pädagogik studiert und war Realschullehrer für Biologie, Chemie und Arbeitslehre, hatte also keine Verbindung zu Philosophie und Mathematik. Seit meiner Pensionierung habe ich Ahnen- und Familienforschung der Freges betrieben, motiviert durch geerbte Ahnen-Gemälde und den Besitz der Nachfahrentafeln von Hohlfeld, einem umfangreichen Druckwerk mit Daten von etwa 1200 Personen zwischen 1655 und 1933.
Fleißige Angehörige müssen vor etwa 100 Jahren diese Daten aus Kirchenbüchern zusammengetragen haben, so gründlich, dass ich weitere Ergänzungen nicht finden konnte. Weil wohl von keiner anderen Sippe so viele und vollständige Aufzeichnungen vorliegen, wurde 1944 in der Universität Leipzig eine umfangreiche soziologische Untersuchung der Familie Frege unter Volkmar Weiss durchgeführt und veröffentlicht.
Vier Linien der Familie Frege
Um in die Fülle der Vorfahren etwas Transparenz zu bringen, habe ich vier Linien herausgestellt. Ausgehend von dem Urahn Christian Frege (1655-1731) führt die Linie 1 über den Pfarrer Ludwig Frege (1804-1883), nach dem die Frege-Straße in Berlin benannt ist, zu seinem Ur-ur-Enkel Andreas Frege (*1962), berühmt unter dem Künstlernamen Campino von der Punk-Band Tote Hosen. Sein Bruder Michael Frege hat sich als Insolvenzverwalter der Leman-Pleite einen Namen gemacht.
Die anderen drei Linien gehen von dem Pfarrer Christian Frege (1682-1753) aus Lampertswalde bei Leipzig aus. Er hatte zehn Kinder, von denen sieben erwachsen wurden. Sie stifteten ihm einen barocken Grabstein, den wir Nachkommen restaurieren ließen und bei einem unserer Familientreffen besucht haben.
Vier Generationen von Bankherren
Die Linie 2 sind die Bankherren Christian Gottlob Frege I., II., III. und IV. in Leipzig. Christian Gottlob Frege I. hat mit 25 Jahren die Privatbank gegründet und sich zunächst mit Geldwechsel hochgearbeitet, was bei der Währungsvielfalt am Messeplatz Leipzig möglich war. Schließlich hatte diese „reiche Linie“ Fabriken, Bergwerke, Rittergüter mit Schlössern und betrieb Staatsgeschäfte, auch mit dem Fürstenhof in Dresden. Unter anderem löste Frege I. verpfändete Juwelen des „Grünen Gewölbes“ in Amsterdam ein.
Diese Bankherren waren aber keinesfalls eiskalte Kapitalisten. Schon 1865 stifteten sie eine Krankenkasse und hatten einen Arbeiterausschuss in ihren Bergwerken. Auch gibt es eine soziale Frege-Stiftung. Der Bankgründer schrieb: „Um diese Zeit erkannte ich erst, wie nötig es sei, gegen jedermann demütig und dienstfertig zu sein, und diese beiden Worte sind auch eigentlich die Fundatores meines Glückes gewesen.“ Eine Einstellung, die man heute wohl bei Bankdirektoren vermisst. Christian Gottlob I. war überaus spendabel, so ließ er in Trossin eine Kirche und weitere Gebäude erbauen.
Der Sohn des Bankgründers kaufte das Frege-Haus in Leipzig und baute es im Barockstil um. Ein Großneffe war der Jurist Prof. Richard Woldemar von Frege (1811-1890). Er war verheiratet mit der Opernsängerin Livia, geb. Gerhardt, die mit Mendelssohn-Bartholdy, Robert Schumann und Lortzing konzertiert hat. Diese Frege-Linie hat viel gebaut, Schlösser renoviert, viel investiert. Zwei von 18 ehemaligen Frege-Bergwerken in Thüringen sind heute Schaubergwerke und werden für Atemwegs-Therapie genutzt: die Feengrotten in Saalfeld und die Morassina in Schmiedefeld.
Briefwechsel mit Goethe
Im Goethe-Archiv in Weimar liegt ein Briefwechsel mit 65 Briefen zwischen Goethe und Frege wegen Finanzierung der Dichtungen bei den Verlagen. Vier Töchter diese Linie haben alle adlig geheiratet, von der Wense, von Oertzen, von Wolfferdorff und von Rockow. Durch Enteignungen in Ostdeutschland ist wohl der meiste Reichtum der Freges verloren gegangen. Das Frege-Haus, eine Frege-Straße und ein Frege-Steg erinnern in Leipzig an diese angesehene Unternehmerfamilie.
Zur Linie 3, von meinem Großvater die „arme Linie“ genannt, gehöre ich, mit Lehrern und Technikern als Vorfahren.
Die „intelligente Linie“ der Familie Frege
Die Linie 4 schließlich zweigt vor 250 Jahren vom ersten Bankherren ab und führt zu dem hier geehrten Professor Gottlob Frege (1848-1925). Er studierte in Jena und Göttigen und war Privatdozent, später Honorarprofessor in Jena. Etwa 80 Bücher und Veröffentlichungen von ihm werden in den Universitäts-Bibliotheken bereitgehalten. Das wichtigste ist wohl die „Begriffsschrift“, sie erschließt sich nur Spezialisten mit intensivem Studium.
Der Professor hatte ein Haus in Jena, das er verkaufte, als er 1918 emeritierte und in Bad Kleinen ein Haus kaufte. Verheiratet war er kinderlos mit Margarethe Lieseberg, die länger kränklich war und 1904 starb. Seine Haushälterin Meta Arndt sorgte für den Professor. 1908 übernahm er die Vormundschaft für zwei Waisenkinder, von denen er eines, Alfred Fuchs, adoptierte. Sonst hatte er einen Onkel Cäsar Frege und einen Cousin Emanuel Frege, beide in Wismar. Von diesen gibt es reichlich Nachkommen im Rheinland, auch in Australien.
Prof. Gottlob Frege wurde in Wismar geboren. Auf dem Friedhof von Wismar bleibt sein Grab mit dem seines Vaters erhalten. An dem Geburtshaus in Wismar, Böttcherstraße 2, und seinen Häusern in Bad Kleinen und Jena befinden sich Erinnerungstafeln. Im Hörsaal der Philosophischen Fakultät in Jena steht eine Büste zu seinem Andenken. Es gibt in Jena die nach ihm benannte Frege-Straße, ebenso einen Stadtteil in Wismar, etwa 2000 Einwohner mit der Anschrift „Professor-Frege-Straße“.
Regelmäßige Treffen von Philosophen und Mathematikern
Zum Gedenken werden jährlich Gottlob-Frege-Wanderungen zwischen Bad Kleinen und Wismar veranstaltet, wo er früher zu Fuß gegangen ist. Professoren der Philosophie und Mathematik treffen sich zu Frege-Ehrungen und internationalen Konferenz in Wismar. Prof. Fujimura aus Japan die Schriften des Professors ins Japanische übersetzt. Heute erfährt Professor Frege mehr Beachtung und Bedeutung als zu seinen Lebzeiten.