Faguswerk Alfeld: Weltkulturerbe, Fabrik und lohnendes Ausflusziel

In einer südniedersächsischen Kleinstadt steht eines der bedeutendsten Architekturbeispiele des 20. Jahrhunderts: das Faguswerk in Alfeld. Erbaut ab 1911 von Walter Gropius und Adolf Meyer, erzählt es die Geschichte einer bemerkenswerten Zusammenarbeit zweier ungewöhnlicher Männer. Es ist aber auch ein Ort, an dem der Besucher viel über Schuhe und ihre Herstellung lernt.

Vorweg: Ein Besuch des Faguswerks lohnt sich allemal. Es ist eine Kombination eines noch heute in seiner ursprünglichen Funktion genutzten Gebäudes im Bauhausstil mit einer sehr gut gemachten Ausstellung, die viel mehr bietet als nur Architekturgeschichte. Ein Ort, der den Besucher über Stunden fesselt. Und ein Ort, der Fans des Bauhauses auf seine Kosten kommen lässt, nicht nur wegen der Architektur.

Faguswerk Alfeld
Leichtigkeit und Transparenz zeichnen das Gebäude des Faguswerks aus.

Wobei zunächst mit einem Irrtum aufzuräumen wäre. Es war nicht Walter Gropius allein, der ab 1911 das Faguswerk bauen ließ. Den ersten Abschnitt entwarf und gestaltete er ab 1910 gemeinsam mit Adolf Meyer. Der fällt ein bisschen hintenrunter. Später hat Gropius ohne Meyer weitergemacht. Ihm allein gebührt mittlerweile der Ruhm, das erste Beispiel der Moderne in der Architektur geschaffen zu haben. Dann noch eines, was als Fabrik diente, damals eine unterhörte Neuerung.

Die Schmalseite mit dem Eingang zur Verwaltung und der schwebenden Treppe hinter der Glasfassade.

Ein ungewöhnlicher Fabrikant

Dass ein aufstrebender Superstar der Architektur für Arbeiter bauen durfte, verdankt er dem zweiten ungewöhnlichen Mann, dessen Name mit dem Faguswerk verbunden ist: Fabrikant Carl Benscheidt (1858-1947). Er interessierte sich für das Wohlergehen seiner Mitarbeiter. Sie sollten helle, luftige Arbeitsplätze bekommen. Ein Anspruch, den die Fabrikgebäude von Gropius erfüllen. Noch heute wird in ihnen produziert. Benscheidt entschied aber auch, die Geschäftsräume des Faguswerks mit Bauhaus-Möbeln auszustatten.

Suche stets nach dem Besten. Das Bessere unterdrückt das Gute und bricht sich immer wieder Bahn, wenn es auch manchmal lange Zeit verkannt wird.

Carl Benscheidt

Von all dem erzählt die Fagus-Gropius-Ausstellung in einem Teil des Gebäudes. Auf fünf Etagen erfährt der Besucher alles über die Geschichte von Carl Benscheidt und Walter Gropius, über die Baugeschichte der Fabrik und ihre Restaurierung in den 1980er-Jahren. Ein zweiter großer Teil der Ausstellung erklärt, was in der Fabrik hergestellt wurde und wird und welche Bedeutung es für jeden von uns hat. Ohne Schuhleisten keine Schuhe.

Was Schuhleisten leisten

150 Schuhe aus der Zeit von 1900 bis heute zeigen, welche Bedeutung Schuhleisten für die Schuhproduktion hatten und haben. Pro Schuh braucht es, das verrät die Ausstellung, zwischen 70 und 200 Leisten, immerhin für jede Größe eine. Aufbewahrt werden sie unter anderem im Modellkeller, der ebenfalls besichtigt werden kann.

Faguswerk Alfeld
Im Modellkeller stehen die Schuhleisten in langen Regalen.
Faguswerk Alfeld
Früher wurden die Schuhleisten aus Holz gefertigt.
Faguswerk Alfeld
Heute ist Kunststoff das Material für die Leisten.
Faguswerk Alfeld
Die ältesten Exponate in der Schuhausstellung: Knopfstiefeletten von 1900.
Faguswerk Alfeld
Die bollerigen Treter aus den 90er-Jahren. Auch für sie braucht man Schuhleisten.

Das Faguswerk in Alfeld ist eine wunderbare Kombination von Architektur und Museum, von draußen gucken und drinnen lernen. Mein Tipp: Erst die Gebäude von außen ansehen, dann die Ausstellung besuchen und dann noch einmal mit neuen Informationen und genauerem Blick die Fabrik von außen anschauen. So habe ich erst in der Ausstellung gelernt, dass die verwendeten Steine die Farbe in der Farbe Ledergelb gehalten sind – wie passend für eine Schuhleistenfabrik – und dass der dunkle Sockel das Gebäude optisch schweben lässt. Er ist so schmal, dass er zunächst gar nicht auffällt.

Faguswerk Alfeld
Beim zweiten Blick lassen sich die Details des Gebäudes richtig würdigen.

Alle Informationen für einen Besuch sind auf der Internetseite des Faguswerks zusammengefasst.

Noch ein schönes Museum

Ich bin in Südniedersachsen, ganz aus der Nähe Alfelds, aufgewachsen. Damals gab es die Ausstellung noch nicht, die Fabrik war halt eine Fabrik, die man nicht so einfach besichtigen konnte. Das hat sich geändert, mittlerweile ist das Farguswerk Weltkulturerbe und ein echter Anziehungspunkt geworden. Ein weiterer befindet sich nur wenige Kilometer weiter in Einbeck: der PS-Speicher. Es lohnt sich also, mal ein paar Tage dort in der Gegend zu verbringen.

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