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Pressestelle – ganz anders als früher

Journalisten haben oft mit Pressestellen zu tun. Das ist gut so und kann die Arbeit ungemein erleichtern. Vor allem, wenn Profis in der Pressestelle sitzen. Aber die Zusammenarbeit mit vielen Pressestellen hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert – nicht immer zum Vorteil. Ein bisschen Jammern aus dem Alltag.

Zunächst: Pressestelle ist nicht gleich Pressestelle. Es ist schon ein großer Unterschied, ob es die der Bahn, von RTL, der Industrie- und Handelskammer, der jeweiligen Kreisverwaltung oder der örtlichen Polizeidirektion ist. Früher, also ganz früher, so vor 20, 30 oder 40 Jahren, hatten Pressestellen alle eines gemeinsam: Wir Journalisten haben sie angerufen, dann gab es eine Antwort. Entweder sofort oder kurz danach, wenn sich der Pressesprecher schlau gemacht hatte. Schließlich ist ein Pressesprecher oder eine Pressesprecherin nicht allwissend. Und es gibt durchaus Behörden, die ihre Pressestelle nicht regelmäßig ins Bild setzen, was im Haus so läuft.

Als es nur Fax und Telefon gab

Klar, damals gab es gerade mal Fax. Und die einzigen Pressestellen, die Anfragen schriftlich haben wollten, waren die großer Handelsketten, allen voran Aldi. Alle anderen gaben bereitwillig am Telefon Auskunft. Es blieb ihnen gar nichts anders übrig. Lediglich die Polizeipressestelle schickte ihre täglichen Pressemeldungen über den großen Verteiler per Fax raus, was mir vor fast zwei Jahrzehnten mal die Glaubwürdigkeit gerettet hat. Kleiner Exkurs: Die Polizei meldete, dass das Opfer eines Verbrechens gestorben sei, ich habe es am nächsten Tag in der Zeitung vermeldet. Der Mann lebte aber noch. Dank des Faxes konnte ich nachweisen, dass ich sorgfältig gearbeitet hatte beziehungsweise, dass der Fehler nicht bei mir lag.

Anfragen am liebsten per E-Mail

Mit der Digitalisierung hat eine Entwicklung eingesetzt, die sich in den vergangenen Jahren ständig verstärkt hat. Anfragen an die Pressestelle bitte nur noch per Mail. Es gibt Pressestellen, da habe ich noch nicht mal meinen Namen am Telefon zu Ende gesprochen, da schallt mir schon ein „Schicken Se ne Mail“ entgegen.

Nun ist das mit den Mails so eine Sache. Ist der Sachverhalt einigermaßen kompliziert, klingen sie etwa so: Ist es richtig, dass . . . Falls ja, was hat dazu geführt? Falls nein, welche Argumente haben dagegen gesprochen? Falls ja, was kostet die Maßnahme? Wer bezahlt sie? Falls es verschiedene Geldgeber sind, welche sind das? Wie teilt sich der Betrag auf? Falls nein, welche Auswirkungen hat das? Was bedeutet das für . . . ?

Im Dialog offene Fragen klären

So ungefähr. Da kann sich jeder vorstellen, wie kompliziert das ist. Zugegeben, es ist nicht immer so, aber oft. Presseanfragen beschränkten sich eben nicht nur darauf, um irgendwelche Zahlen zu bitten oder zu erfahren, wann etwa eine Straßenbaumaßnahme umgesetzt wird. Oft ist es nicht so einfach. Und dann wäre es schön, einen Dialog mit einem Pressesprecher führen zu können, in dessen Verlauf sich vielleicht noch die eine oder andere Frage ergibt. Oder Nachfragen gestellt werden können, die sich aus den Antworten ergeben. Und ja, da wäre auch eine Chatfunktion hilfreich. Hauptsache Dialog.

Anfragen per Mail zu stellen, hat noch einen anderen Nachteil. Wer fragt, weiß nie, wann die Antwort kommt. Üblich ist eigentlich: Wenn nichts dabei steht, dann möglichst noch am selben Tag. Ich schreibe in meine Anfragen an eine Pressestelle immer rein, bis wann ich die Antworten gern hätte. Mittlerweile auch, dass es eilig ist, obwohl das eigentlich, siehe oben, selbstverständlich sein sollte, wenn nichts dabei steht.

Es gibt übrigens Pressestellen, die auf eine Anfrage eine kurze Rückmeldung geben: Ist angekommen, wird voraussichtlich bis dann und dann beantwortet. Das ist toll und freut jeden, der den Redaktionsschluss im Nacken hat. Außerdem fühle ich mich durch so eine Rückmeldung – die leider sehr selten sind – ernst genommen. Und dann gibt es die, bei denen man das Gefühl hat, die Anfrage ins Nirwana geschickt zu haben.

Die namenlose Pressestelle

Und noch etwas ist mittlerweile anders geworden. Es gibt Pressestellen, da arbeiten keine Menschen. Jedenfalls keine, die einen Namen haben. Da steht dann in der Signatur nur Pressestelle, und auch die freundlichen Grüße schickt lediglich die Pressestelle. Was bei Rückfragen – natürlich nur per Mail – die Anrede etwas schwierig macht. Auch in der Signatur steht nur Pressestelle, gern aber auch „Head of Irgendwas“. Ich schreibe ja unter meine Anfragen auch nicht „Mit freundlichen Grüßen, die Redaktion“. Und wer nicht namentlich zitiert werden will, der kann das doch sagen, pardon schreiben.

Ganz anders meine Polizeipressestelle. Da weiß ich immer, wer den Text geschrieben hat, und Nachfragen sind telefonisch jederzeit möglich. Über das Polizeideutsch muss man halt hinweg hören. Etwa wenn mir ein Pressesprecher sagt, eine bestimmte Frage könne er nicht beantworten, das müsse er erstmal „ermitteln“. Egal, Hauptsache, die die Info kommt.

Drehscheibe zwischen Journalist und Fachabteilung

Jetzt kommt noch ein kleiner Exkurs über Pressestellen. Viele sind nur Drehscheiben. Die Anfragen der Journalisten – deshalb auch das Beharren auf Mails – werden an die Fachabteilung weitergeleitet, die die Fragen beantwortet. Diese Antwort geht wieder über den Tisch des Pressesprechers, der sie dann verschickt. Ein Verfahren, das vor allem in Behörden üblich ist.

Ganz anders geht es bei Pressestellen zu, etwa von privaten Fernsehsendern oder der Telekom. Es gibt welche mit Login, da kann nicht einfach jeder Reporter seine Anfrage stellen. Das schützt vor allem vor Fans und Beschwerden. So etwas habe ich aber auch mal bei einem Edel-Architekten erlebt, einen Pressebereich mit Passwort. Oder es gibt eine zentrale E-Mail-Adresse. An die werden nicht nur die großen weltbewegenden Fragen geschickt, sondern auch Anliegen aus Kleinkleckersdorf. So landet dann ein Problem eines 200-Seelen-Dorfes in einer Pressestelle in München, Berlin oder Bonn.

Langes Warten auf die Antwort

Übrigens liegt meine letzte Kleinkleckersdorf-Anfrage mittlerweile seit vier Tagen bei einer Pressestelle. Zwischenstand? Keineswegs. Ich bin mal gespannt, wann ich eine Antwort bekomme. Und sei es nur die, dass es noch ein bisschen dauert. Dabei ist mir natürlich klar, dass Pressesprecher heute viel mehr machen als nur meine läppische Anfrage zu beantworten. Aber irgendwann würde ich meinen Artikel halt auch mal fertigstellen.

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Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

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