Titelbilder: Kommt es auf die Fotografin an?

Eine Frau fotografiert sich selbst im Spiegel.

Der Female Photoclub, Freelens und der DJV Nord haben die Titelseiten von 72 Magazinen nach dem Geschlecht der Urheber ausgewertet. Und sind zu dem Schluss gekommen, dass Fotografinnen und Illustratorinnen bei den Titelbildern stark unterrepräsentiert sind. Was sie daraus schließen und was ich daraus schließe.

Ich mache selbst regelmäßig Pressefotos und freue mich immer diebisch, wenn ich das Titelbild ergattere, sprich, wenn ein Foto von mir zum Titelfoto wird. Das kommt nicht allzu oft vor und ist sozusagen eine interne Ehre. Und zwar nicht, weil ich Fotografin, also Frau, bin, sondern weil meine fotografische Leistung an diesem Tag so gut und das Thema so relevant ist, dass daraus ein Titelbild meiner Zeitung, der Lübecker Nachrichten, wird. Eines der Titelbilder von mir sieht jeder, der dieses Blog liest. Es ist zu meinem Headerbild geworden, außerdem verwende ich es als Avatar für meine Social-Media-Kanäle.

Ein gutes Coverbild zieht die Blicke auf sich

Nun ist eine Tageszeitung kein Magazin. Allein schon die nicht tägliche Erscheinungsweise macht Titelbilder in Magazinen umso rarer – und wichtiger. Denn ein gutes Coverbild muss in der Masse der Titel, die in den Regalen ausliegen, Aufmerksamkeit erregen. Immerhin 928 Magazine inklusiver einiger Sonderausgaben haben der Female Photoclub, Freelens und der DJV Nord im Jahr 2022 untersucht. Und die Anzahl der Urheberinnen im Verhältnis zu den Urhebern grafisch aufarbeiten lassen – natürlich v9on einer Infografikerin.

Infografik: Tina Strube

25 Prozent der Titelbilder kamen von Frauen

Der Anteil der von Fotografinnen und Illustratorinnen gestalteten Cover lag bei 25 Prozent, der der männlichen Kollegen hingegen bei 54 Prozent. Die übrigen 21 Prozent entfallen auf gemischte Teams, nicht genau zuzuordnende Urheber oder Agenturcredits ohne Nennung der Fotografen oder Illustratoren. Immerhin, stellen die drei Organisationen fest, sei der Anteil der Frauen im Gegensatz zu einer Erhebung drei Jahre zuvor gestiegen.

„Wir freuen uns über die positive Tendenz drei Jahre nach der ersten Auswertung. Sie bestätigt unser Gefühl, dass in den Redaktionen deutscher Magazine, aber auch gesamtgesellschaftlich, ein größeres Bewusstsein für die Ungleichbehandlung aufgrund der Geschlechter geschaffen wurde. Jedoch ist diese Entwicklung ein Prozess und die Ergebnisse der Auswertung von 2022 zeigen auch, dass wir noch lange nicht am Ziel von realer Gleichberechtigung angekommen sind“, merkt der Female Photoclub dazu an.

Fehlende Parität und Geschlechter-Klischees

Parität gebe es in der Magazinwelt immer noch viel zu selten, heißt es weiter. Und: „Allzu oft scheinen die Redaktionen noch in geschlechterspezifische Klischees zu verfallen und lassen Frauen Yoga und Männer rohes Fleisch fotografieren.“ Und Marina Friedt, Vorsitzende des DJV Nord, argumentiert zum Anstieg der Frauen-Cover: „Diese Entwicklung geht in die richtige Richtung, und sie muss weitergehen! Publizistische Vielfalt entsteht nur durch unterschiedliche Sichtweisen, auch oder besonders, wenn es um Bilder geht.“

Wo sind die Sichtweisen sichtbar?

Das sehe ich ganz anders. Was ändert sich an einem Foto, wenn es von einer Frau aufgenommen wird? Welche „anderen Sichtweisen“ sollen dort zum Tragen kommen? Geht es nicht eher ums Motiv als darum, wer hinter der Kamera oder am Rechner sitzt und das Bild komponiert? Das sieht Anna Gripp, Sprecherin Deutscher Fotorat und Chefredakteurin von Photonews, offenbar ähnlich. Ihr Statement: „Beim Titel sind aber andere Faktoren wichtiger: Ist das Motiv plakativ und interessant? Steht es in Verbindung zu einer wichtigen Geschichte im Heft? Und ganz banal: Ist es ein Hochformat (da wir Fotografien nicht beschneiden)?“

Gripp sagt auch: „Qualität ist keine Frage des Geschlechts.“ Und genauso sehe ich das ebenfalls. Obwohl ich mir nach der Beobachtung von Fotografen – also Männern – und ihren Frauen selbst die Frage gestellt habe, ob Fotografie männlich ist. In diesem Fall bei den ambitionierten Hobbyfotografen. Wenn ich mir die Profis angucken, die ich im Laufe der Jahrzehnte kennenlernen durfte, dann sehe ich nicht, dass Frauen unterrepräsentiert sind. In meiner Redaktion habe ich schon vor Jahrzehnten regelmäßig mit Pressefotografinnen gearbeitet. Dass gerade mal die Männer in der Überzahl sind, ist eher Zufall. Lange Jahre waren sie in der Minderheit.

In erster Linie muss das Produkt stimmen

Auch wenn das gerade nicht modern ist: Ich finde, man muss nicht jeden Berufsstand auf seine Diversität untersuchen und fordern, dass mehr Frauen, Migranten oder Behinderte vertreten sein müssten. Am Ende kommt es doch immer auf das Produkt an. Stimmt es, dann ist alles gut? Und noch etwas spielt speziell beim Thema Titelbilder für mich eine Rolle. Je mehr Print verschwindet und Online-Publikationen das Feld übernehmen, desto seltener braucht es Titelbilder im üblichen Sinne. Ja, es werden immer noch bei jedem Online-Auftritt die großen, die überzeugenden, die bewegenden Fotos ganz oben auf der Homepage gebraucht. Aber zumindest bei Tageszeitungsauftritten sind sie auch ganz schnell wieder verschwunden, weil die nächste Story nach oben rückt.

Nennt die Namen aller Fotografen

Was ich aber fordere, und das vehement: überhaupt die Namen von Fotografen und Illustratoren zu nennen. Deshalb finde ich die DJV-Aktion „Fotografen haben Namen“ immens wichtig und bemühe mich in der Produktion, immer den Fotografen-Namen zu nennen, egal ob online oder print. Auch wenn das manchmal ein bisschen Arbeit erfordert, die Namen überhaupt herauszufinden. Mal ganz abgesehen davon, dass die Fotografen ein Recht darauf haben, ist ihr Werk genauso urheberrechtlich geschützt wie das von Textautoren. Warum also sollen sie namenlos bleiben?

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