Zwischen den Generationen: Ikea-Möbel und Blümchengeschirr
Irgendwann kommt für jeden von uns die Zeit, in der er zwischen den Generationen steht. Die Kinder ziehen aus, die Eltern kommen ins Pflegeheim oder sterben. Der eine Haushalt wird aufgelöst, der andere aufgebaut. Irgendwo dazwischen geht die Liebe für die Familienschätze verloren. Mein persönlicher Eindruck und meine Gedanken dazu.
Ich bin damit aufgewachsen, Dinge in Ehren zu halten. Ob es das Silberbesteck der Großeltern oder die historischen Möbel sind, die schon seit Generationen in der Familie sind. Erst recht die Ahnenbilder, über die meine Familie verfügt. Es sind Dinge von hoher Qualität, die von Generation zu Generation gepflegt, bewahrt und weitergegeben werden. Hinzu kommen alte Möbel, Bilder, Dekoratives, Besitz, den ich selbst angeschafft habe. Aus Freude daran. Besonders ans Herz gewachsen ist mir die Gründerzeit-Anrichte aus massiver Eiche, die mein Vater in meiner Jugend auf dem Sperrmüll gefunden und für mich hat aufarbeiten lassen. Sie begleitet mich seit nahezu 50 Jahren.
Die Schätze einer kunstsinnigen Familie
Gerade ist meine Mutter gestorben. Mein Vater ist fast 89 Jahre alt. Er wird irgendwann auch gehen. Dann steht der Haushalt meiner Eltern vor der Auflösung, samt echtem Barockschrank, mit Intarsien versehener Barocktruhe, Palisander-Schreibtisch aus den 1930er Jahren und Biedermeier-Nähtischchen. Alles Möbel, die sich seit Generationen in der Familie befinden. Dazu echte Ölbilder von namhaften Künstlern. Die Familie war schon immer kunstsinnig. Ich wünschte, der Haushalt meiner Eltern bliebe auf immer, wie er immer war und noch ist. Aber das ist nicht die Realität. Ein Hausstand ist kein Museum.
Mit vielen Dingen im Haus meiner Eltern sind so viele schöne Erinnerungen verbunden. Das Geschirr mit dem zarten Blümchenmuster und das mit einem geschliffenen Glasstöpsel versehene Rumkännchen stehen für gemütliche Nachmittage, wenn draußen der Winter dräut. Im Barockschrank lagern die alten Fotoalben, in denen ich so gerne blättere. Der Schlag der barocken Wanduhr im Arbeitszimmer meines Vaters klingt nach Kindheit. Und das Silberbesteck, das nicht in die Spülmaschine darf, wurde bei meiner Konfirmation aufgelegt. Die natürlich zu Hause gefeiert wurde, wie es seit Generationen in der Familie üblich ist.
Neue Wohnung voller neuer Dinge
Gerade zieht meine Tochter in ihre erste eigene Wohnung (im zweiten Anlauf, der erste scheiterte nach drei Tagen an der Pandemie, aber das ist eine andere Geschichte). Sie richtet die Wohnung komplett neu ein, kann sich das leisten. Sie nimmt nichts aus ihrem Elternhaus mit, obwohl genug da wäre. Aber sie will die Möbel, das Geschirr nicht. Obwohl alles in gutem Zustand und hier bei uns in reichem Maß vorhanden ist.
Sie will die alten Dinge nicht, nicht mal die, die in ihrem Zimmer hier bei uns stehen. Und schon gar nichts von den Familienschätzen. Sie hat keine Beziehung dazu, findet sie einfach nur spießig. Weder ihr historischer Serviettenring auf reinem Silber noch die wunderschönen handgeschliffenen Weingläser meiner Oma, die ich seit Jahrzehnten hüte und die ich ihr mitgeben würde, bedeuten ihr etwas. Sie deckt sich lieber bei Ikea mit allem ein, was sie braucht.
Landen die Familienschätze auf dem Sperrmüll?
Sie muss das selbst entscheiden, sie ist alt genug. Ich rede ihr nicht rein. Aber mir wird das Herz schwer. Was wird aus all diesen Dingen, wenn wir einmal nicht mehr da sind. Ich halte die Familienstücke der vergangenen Generationen in Ehren. Wirft die nächste Generation sie auf den Sperrmüll? Haben historische Möbel, Silberbesteck und dekorative Suppenteller aus Meißener Porzellan, als Wandschmuck verwendet, noch eine Chance? Oder sind sie irgendwann unwiederbringlich verloren? Vielleicht freut sich mal ein professioneller Entrümpler über die Schätze, die er findet und zu Geld machen kann.
Warum konnte ich meinem Kind nicht vermitteln, dass all diese Dinge wertvoll sind? Wir haben ihm das Leben mit qualitätsvollen, aber eben schon älteren Dingen vorgelebt. Unser Haus, unsere Einrichtung ist voll davon. Wir kaufen nicht dauernd neue Möbel, wir leben mit denen, die da sind und schon immer da waren. Von wenigen Ausnahmen mal abgesehen. Aber insgesamt wird hier Wert gelegt auf Stil, auf Qualität und ja, auch auf ein wenig Nostalgie. Das soll jetzt nicht hochnäsig klingen, es ist einfach so. Ich kenne es nicht anders.
Wir können alle nichts mitnehmen
Aber offenbar reißt dieser Faden in die Vergangenheit, in die Familiengeschichte ab. Ich werde, wenn es so weit ist, Einrichtungsgegenstände meiner Vorfahren übernehmen. Was das Kind später einmal damit machen wird? Ich weiß es nicht. Letztlich geht es mich nichts mehr an, ich kann nichts mitnehmen. Aber es macht mir doch Sorgen. Fliegt die Familiengeschichte in die Tonne? Es wäre schade drum.
2 Kommentare
Ulrike
Interessant, meine Söhne lernen gerade alte Möbel zu schätzen. Die würden den Palisanderschreibtisch sofort mitnehmen, das Geschirr der Großmutter ist in Gebrauch und mein Meißner Porzellan haben die Herren schon unter sich aufgeteilt . Wie unterschiedlich Kinder sein können
Susanne
Wie schön. Ich hoffe, dass es bei meiner Tochter auch nochmal klick macht. Es wäre so schön, wenn wir zu Lebzeiten schon etwas weitergeben könnten und die, die es bekommen, Freude daran haben.