erlebt,  Pyrocontra

Pappbecher und Kurioses um den Coffee to go

Ich hole mir öfter mal einen Kaffee auf die Hand, also einen zum Mitnehmen. Seit einigen Jahren im eigenen Thermobecher. Die konnten während der Pandemie nicht genutzt werden, wegen der Ansteckungsgefahr. Das ist vorbei. Die Kuriositäten um Pappbecher und Coffee to go sind allerdings nicht vorbei.

Mobiles Kaffeetrinken hat inzwischen beinahe weltweit Verbreitung gefunden. Coffee to go heißt das, und vor allem ist es für viele Coffee to throw. Kaffee zum Werfen. Zum Wegwerfen. Einfach den Becher leer schlürfen und weg damit in den Müll. Oder in den Knick, für Nicht-Schleswig-Holsteiner hinter die nächste Hecke oder in den Straßengraben.

Umweltbewussten Coffee-to-go-Trinkern wird zunehmend mulmig beim mobilen Genuss. Denn der summiert sich laut Deutscher Umwelthilfe auf 320 000 Becher, die in Deutschland verbraucht und weggeworfen werden. In der Stunde, wohlgemerkt. Es gibt nur einen Ausweg: einen wiederverwertbaren Kaffeebecher benutzen.

Wenn Mehrweg sabotiert wird

Der Umgang damit ist allerdings etwas für Fortgeschrittene. Nicht beim Trinken, sondern beim Befüllen. Mein jüngstes Erlebnis lässt mich am Sinn von Mehrweg mehr als zweifeln. Ein Bäckereitresen. Den Coffee-to-mehrmals-go-Becher darauf gestellt. Einen kleinen Kaffee zum Mitnehmen bestellt. Im großen Becher. Was nun? Das Rattern hinter der Stirn der Verkäuferin war deutlich zu sehen. Sie zögerte, zögerte noch weiter, griff dann beherzt zum Pappbecher, maß damit einen kleinen Kaffee ab, schüttete ihn in meinen Mehrwegbecher und warf den Pappbecher in den Müll. Mission Müllvermeidung gescheitert.

Dabei gäbe es so schöne Möglichkeiten: den Kaffee Pi mal Daumen einfüllen oder einen Keramikbecher zum Abmessen benutzen. Vielleicht sollte ich beim nächsten Kaffeekauf zur Abmess-Beratung schreiten. Wenn ich nicht wieder so geplättet bin, dass es mir die Sprache verschlagen hat.

Handbuch des Therminators

Aber auch der Umgang mit einem Mehrweg-Kaffeebecher will gelernt sein. Gut, mit einem Porzellanbecher kommt noch jeder ohne Einweisung zurecht, aber ein Edelstahl-Thermobecher erfordert doch eine gewisse Kenntnis im Umgang mit ihm.

Weil Kaffee heiß ist und heiße Getränke lieber nicht in Bambusbecher gefüllt werden sollten, bleibt als Alternative nur der Thermobecher. Wer einen kauft, bekommt eine etliche Punkte umfassende Bedienungsanleitung dazu, die sich in die Unterkategorien Sicherheitshinweise, Verwendung, Reinigung und Pflege auffächert. Einfach Kaffee reinkippen und trinken läuft nicht.

Einer der wichtigsten Hinweise: kein Trockeneis in den Becher füllen. Gut, dass ich das weiß. Ich habe ja jeden Tag Trockeneis in der Tasche und muss zusehen, wo ich es lasse. Schade, dass der Thermobecher dafür leider nicht zur Verfügung steht. Weiter steht auf dem mitgelieferten Zettel, ich möge keine Heißgetränke über eine Kapazität von 80 Prozent einfüllen, da sonst der Stopper beschädigt werden könne. Jetzt suche ich schon seit Tagen den Stopper an meinem Thermobecher. Welches Teil von ihm bremst, ist mir schleierhaft geblieben.

Wenig hilfreich ist auch der Hinweis, ich möge den Becher nicht in die Nähe von Wärmequellen stellen. Wie viel Abstand zu Heizkörpern muss ich wohl einhalten? Ach ja, das ist ja ein Becher für Coffee to go, hergestellt für den Freiluft-Kaffee.

Von Fersenkaffee und Hohnlohn

Wenn es dann aber doch mal ein To-go-Becher sein muss, dann wünsche ich mir ein Exemplar mit Lesestoff. Im Kaffeebecher, so stand es einst auf einem der Pappbecher, war nicht Coffee-to-go, sondern Kaffee-hurtig, Geh-Kaffee, Kaffee marsch oder Fersenkaffee, so die auf den Becher gedruckten Vorschläge für lebendiges Deutsch statt „Denglish“. Es finden sich ja immer allerlei auch skurrile Vorschläge, wie englische Begriffe durch deutsche ersetzt werden können. Hauptsache sie sind schlicht und nicht aufgeblasen.

Daraus lässt sich ein nette Geschichte basteln. Etwa so: Nach dem Netzschwatz* und der Denkrunde* im Büro fuhr ich nach Hause. Unterwegs hatte ich einen kleinen Unfall, bei dem sich das Prallkissen* öffnete. Anschließend holte ich mir Schnellkost* und setzte mich vor den Fernseher, der immer auf Standstrom* bleibt. Die Tagesschau berichtete gar über Hohnlohn*.

(*chatten, *Brainstorming, *Airbag, *Fastfood, *standby, *Dumpinglohn)

Vielleicht sollte ich mal einen Hingeher veranstalten, bei dem lebendiges Deutsch vermittelt wird. Und dazu Kaffee servieren. Denn Events sind nun mal schlichtweg out.

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

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