Fotojob auf 1911 Metern Höhe: Die Rennradler-Fotografen vom Mont Ventoux
Es gibt Jobs, Fotojobs, da kommt man erst drauf, wenn man sie gesehen hat. Ein solches Erlebnis hatte ich jetzt auf dem Mont Ventoux, dem höchsten Berg der Provence. Bekannt geworden ist er durch die Tour de France, die in schöner Regelmäßigkeit über diesen kahlen, von Geröll bedeckten Gipfel führt. Auf 18 Kilometern Länge windet sich die Straße in Serpentinen mit bis zu zwölf Prozent Steigung bis ganz nach oben – ein Fest und eine extreme Herausforderung für Rennradfahrer. Das gibt Fotografen Arbeit.
Vor allem rund um die Tage der Tour de France, aber auch in den Monaten davor und danach, stürmen hunderte, wenn nicht tausende Radfahrer täglich den Gipfel. Das schafft nur, wer gut trainiert ist, und auch dann ist es eine extreme Herausforderung. Ein solcher Erfolg will natürlich festgehalten werden. Viele machen Selfies, aber wer mag, kann auch professionelle Fotos kaufen. Dafür sorgen Fotografen, die den ganzen Tag mit der Kamera an der letzten Kurve warten, um die Radfahrer bei ihrer allerletzten Anstrengung vor dem Gipfel zu fotografieren.
Tag für Tag sitzen sie da und machen ihre Bilder, vor sich ein Plakat, auf dem groß die Internetseite ihres Unternehmens steht. Der Job muss hart sein. Immer dasselbe Motiv, immer in der Kälte – in der heißen Provence herrschen auf dem windumtosten Berg etwa 13 bis 16 Grad -, und das Stunde um Stunde. Mont Ventoux heißt windiger Berg, er trägt aber auch den Beinamen „König der Provence“. Von den Radfahrern wird er „der Erbarmungslose“ genannt.
Die Fotos werden am Ende des Tages ins Internet gestellt und können dort von den Radfahrern bestellt werden. Ich weiß nicht, ob alle Fotografen von einer Firma sind oder ob es noch andere gibt als, wie in diesem Fall, photoventoux.com, die den sicher lukrativen Job ergattert haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Fotoplätze an beiden Seiten des Gipfels für sehr viel Geld vergeben werden.
Wer sich die Fotos mal anschaut, sieht übrigens, dass an einer Stelle das Drumherum besonders stimmig ist. Im Hintergrund sind Verkehrszeichen zu sehen, die auf acht Prozent Gefälle auf 16 Kilometern Länge hinweisen. Das macht das Radfahrerfoto nochmal wertvoller, kann ich mir vorstellen.
Wer auf die Seite geht, kann dort über den Ort und das Datum sein Foto finden. photoventoux.com hat außer am Mont Ventoux noch am Col du Tourmalet Fotografen sitzen. Der ist 2115 Meter hoch und der höchste asphaltierte Pass der französischen Pyrenäen.
Die asphaltierte Straße auf den Mont Ventoux ist natürlich nicht nur für Fahrradfahrer gedacht. In erster Linie fahren Autos darauf bis auf den Gipfel. Deshalb tummeln sich dort in den Ferienmonaten die Menschen. Der Ausblick ist grandios, die Fahrt hinauf und hinunter ist ein Abenteuer. Ich habe sie jetzt zwei Mal absolviert, im Abstand von einigen Jahren. Ich wusste gar nicht mehr, welche Angst man beim Autofahren haben kann. Hinauf war die Tour schon spannend, hinunter aber noch viel mehr. Da mir der Mut fehlten, dass Auto mit Schwung die bis zu zwölf Prozent Gefälle in Serpentinen hinunter rollen zu lassen, habe ich dort eine ganz neue Erfahrung gemacht: von Radfahrern überholt zu werden. Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit sausen sie nach der großen Anstrengung wieder ins Tal. Nur die Fotografen bleiben oben, bis der letzte Radler des Tages auf dem Gipfel angekommen ist.