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Ewigkeitssonntag: Vielleicht erst einmal das letzte Konzert

Heute ist Ewigkeitssonntag. Traditionell der Tag, an dem Kirchenchöre eine musikalische Andacht gestalten oder den Gottesdienst besingen. Noch immer ist es häufig so, dass Angehörige eines Verstorbenen am Ewigkeitssonntag in die Kirche gehen, weil dort die Namen aller derer verlesen werden, die im Verlauf des Kirchenjahres bestattet wurden.

Nun sind die Zeiten aber nicht so, wie sie immer sind. Der Tod spielt eine größere Rolle als üblich, weil die Corona-Pandemie seit mehr als eineinhalb Jahren viele Menschen dahinrafft. Mittlerweile weit mehr als 90 000 in Deutschland. Die Namen von vielen von ihnen werden und wurden heute in den Gottesdiensten verlesen. Ob mit oder ohne Chorgesang.

Schöne Musik zum Ewigkeitssonntag

Der Kirchenchor, in dem ich seit nunmehr 30 Jahren singe, gibt heute Nachmittag ein Konzert. Genauer: Er besingt eine musikalische Andacht zum Ewigkeitssonntag, auch Totensonntag genannt. Dass das überhaupt möglich ist, ist ein kleines Wunder. Und wer weiß, wie lange wir überhaupt noch zusammen singen und musizieren können.

Es gibt ungefähr vier Millionen Chorsänger in Deutschland. Mit Beginn der Pandemie im März 2020 mussten sie die Proben einstellen, war an Auftritte nicht mehr zu denken. Ich hatte erhebliche Bedenken, ob die Chöre das überstehen. Viele sind überaltert, mancher Sänger mag sich daran gewöhnt haben, lieber zu Hause auf der Couch zu sitzen. Oder er will sich keinem Risiko mehr aussetzen.

Genug Chorsänger übrig geblieben

Andererseits: Ich habe das Singen, die Proben sehr vermisst. Und so ist es vielen anderen auch gegangen. Unser Chor ist weiterhin singfähig und wird das heute am Ewigkeitssonntag unter Beweis stellen. Ein paar sind weggeblieben. Aus Angst. Oder weil sie sich weder impfen noch testen lassen wollten. Schwurbler haben bei uns keinen Platz, der Altersdurchschnitt ist zu hoch, das Risiko ebenso. Wir sind alle zweimal geimpft.

Heute also ein Konzert zum Ewigkeitssonntag, das erste Mal seit Beginn der Pandemie wieder singen vor Publikum. Das Programm ist schön: viel Bach, auch Johann Michael Bach (1648-1694), aber auch Mendelssohn. Von ihm führen wir das schöne Stück „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren“ auf. Ich nenne es scherzhaft das Lied für den Chauffeur. Das hat das Stück nicht verdient. Es ist wunderschön. Wer mitsingen mag: Hier ist die Karaoke-Version dazu.#

Ich werde das Konzert sehr genießen. Denn mir sitzt die Sorge im Nacken, dass in wenigen Tagen wieder alles vorbei sein kann: das Proben, das Singen, das Zusammenkommen. Ich blicke auf die Zahlen und fürchte, wir werden uns alle wieder darauf einstellen müssen, unsere Hobbys ruhen zu lassen. Wie schade – und wie unnötig. Aber ich will mich nicht über Schwurbler aufregen.

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

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