In aller Munde: Floskeln wörtlich genommen

Mit Floskeln ist das so eine Sache. Sie sind in aller Munde. Aber wenn man das ernst nimmt, wird es ziemlich lächerlich. Man stelle sich nur mal vor, es sind Dinge in aller Munde, die da gar nicht reinpassen.

Mögen Sie Wolf? Ich meine nicht den Wolf, sondern Wolf als Gericht zum Mittag- oder Abendessen. Klingt nicht besonders lecker und soll es auch nicht sein. Die Assoziation zum Wolfsfleisch kam mir jüngst anlässlich eines Textes, in dem es hieß, der Wolf sei zurzeit in aller Munde.

Das Elektroauto im Munde

So ist das mit Phrasen. Sie werden so oft verwendet, dass uns der eigentliche Sinn gar nicht mehr in den Sinn kommt. Sie glauben gar nicht, was man alles in den Mund nehmen kann. „Gentechnik ist in aller Munde“ ist noch harmlos, viel schwieriger stelle ich mir das angesichts des Satzes „Elektroautos sind in aller Munde“ vor. Sogar Filme kann man sich einverleiben. „Schon lange in aller Munde, ab heute im Kino“ habe ich in einer Werbung für einen neuen Film gelesen.

Natürlich bezieht sich die Phrase von unser aller Mund nicht aufs Essen, sondern darauf, dass wir über Wölfe, Gentechnik und Elektroautos reden. Aber irgendwie stelle ich mir das doch stets wortwörtlich vor. Ich bin bloß froh, dass veganes Essen und Amalgamplomben auch in aller Munde sind.

Von den Lippen in den Mund

Auf Französisch heißt in aller Munde sein übrigens „ être sur toutes les lèvres“ — zwischen allen Lippen sein. Da sind wir Deutschen doch schon ein ordentliches Stück weiter.

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