Das Brunnenhäuschen von Bad Gandersheim
Manchmal stößt man beim Besuch der Heimatstadt auf ein Gebäude, an das man lange nicht mehr gedacht hat. Und dann stellen sich heimatliche Gefühle ein. So geht es mir mit dem Brunnenhäuschen von Bad Gandersheim.
Bad Gandersheim, meine kleine, aber sterbende Heimatstadt am Harzrand, hat in diesem Jahr die Landesgartenschau von Niedersachsen ausgerichtet. Ein paar Impressionen davon gibt es demnächst hier, obwohl die Schau längst vorbei ist. Mit einbezogen ins Gartenschaugelände wurde der Kurpark. Das klingt pompöser, als es ist. Niemand muss sich darunter einen Kurpark wie in Baden-Baden oder in Malente vorstellen. Es ist einfach ein Stück mehr oder weniger interessant gestaltetes Stück Parkgelände.
Brunnenhäuschen hinten im Kurpark
Nichtsdestotrotz war der 1949 angelegte Kurpark in meiner Kindheit oft Ziel sonntäglicher Spaziergänge, vor allem, wenn Besuch da war. Nach dem Mittagessen ging es auf einen Verdauungsgang, und dann oft dorthin. Und ganz hinten steht es, das Brunnenhäuschen. Mittendrin eine hüfthohe rosa Marmorschale, umschlossen von einem Metallring, in deren Mitte sich ein gebogenes Rohr erhebt. Daraus sprudelt – nun ja, tröpfelt – salziges Wasser, die Sole der Wilhelmsquelle. Dem salzigen Wasser aus den Tiefen der Erde verdankt die Stadt ihren Titel als staatlich anerkanntes Heilbad.
Die Sole sprudelt aus zwei Quellen. Mit einer wird das Freibad gespeist, die andere, besagte Wilhelmsquelle, speist den Brunnen im Brunnenhäuschen. Das Wasser dort kann bedenkenlos getrunken werden. Wenn ich mich recht erinnere, standen dort früher dafür dickwandige Gläser bereit. Heute muss aus der hohlen Hand getrunken werden.
Typische Architektur der 1950er Jahre
Das Besondere am Brunnenhäuschen ist aber nicht das Heilwasser, sondern seine Gestaltung. 1955 erbaut, ist es ein typisches Gebäude eben jener 1950er Jahre. Mich erinnert es immer sehr an Nierentische und Tütenlampen. Gebäude dieses Stils sind offenbar rar geworden, ich kann mich kaum daran erinnern, woanders etwas Ähnliches gesehen zu haben.
Entworfen wurde das Brunnenhäuschen von dem Architekten und Kunstmaler Ernst Eichhorn aus Goslar. Über ihn ist fast nichts bekannt. Am Staatlichen Bauhaus Weimar hat sich 1920 ein Ernst Eichhorn als Werkstattleiter beworben, ob er genommen wurde oder nicht, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Auch nicht, ob es sich um den Ernst Eichhorn handelt, der später als Architekt in Goslar wirkte. Von ihm stammt nicht nur der Entwurf des Brunnenhäuschens, sondern er hat auch die Scrafitto-Figuren in den Giebeln gezeichnet.
Das Geschenk einer Versicherung
Bezahlt hat das Häuschen die Alte Leipziger Versicherung auf Gegenseitigkeit aus Anlass ihres 125. Firmenjubiläums. Es war ein Geschenk an die Stadt, in der das Unternehmen von 1946 bis 1952 ihren Sitz hatte. Danach erfolgte der Umzug nach Frankfurt. Die Verbundenheit mit Bad Gandersheim blieb aber bestehen, was das Geschenk des Brunnenhäuschens beweist.
Ich mag es sehr, trotz oder gerade wegen seiner ausgefallenen Architektur, wegen der liebevoll gestalteten schmiedeeisernen Tore und wegen der damit verbundenen Kindheitserinnerungen. Als ich auf der Landesgartenschau war, habe ich natürlich noch mal einen kräftigen Schluck aus der Wilhlemsquelle genommen. So wie früher.