Schlichte Sprache, verständliche Sprache
Wer Menschen mit einer Botschaft erreichen will, sollte in einer Sprache schreiben oder sprechen, die die Empfänger verstehen. An sich eine Binsenweisheit. Doch ich erlebe oft genug das Gegenteil und will hier eine Lanze brechen für schlichtes und verständliches Deutsch. Ein Plädoyer gegen die „Fremdwörtelei“
Den Anstoß für dieses Plädoyer gibt ein Tweet. Dort heißt es: „Die Verursacher sollten monetär verantwortlich gemacht werden, denn sie externalisieren seit Jahrzehnten diese Kosten auf die Allgemeinheit.“ Welche Verursacher und welche Kosten ist zweitrangig. Was mich stört sind zwei Wörter, von denen ich vermute, dass viele Leser sie nicht verstehen. Monetär, das mag noch angehen. Aber externalisieren? Das dürfte vielen unbekannt sein.
Schreiben für alle
Eine alte Journalisten-Regel lautet: Wir schreiben für Oma Mackeprang. Oder auch etwas despektierlicher: Wir schreiben für den doofsten Leser. Erwischt! Despektierlich ist vielleicht auch ein Wort, das Oma Mackeprang fremd ist. Aber allzu schlicht soll die Sprache nun auch nicht sein.
Damit widerspreche ich mir, aber nur ein bisschen. Die Verfasserin des Tweets mit monetär und externalisieren verfolgte damit ein Ziel, wie die meisten Sprecher und Schreiber. Sie wollte nicht nur ihre Meinung darlegen, sondern auch andere davon überzeugen. Aber wie kann ich Menschen überzeugen, die mich nicht verstehen?
Ich antwortete auf den Tweet, und es entspann sich ein kleiner Disput. Er gipfelte darin, dass ich zurechtgewiesen wurde, ich solle mich als Journalistin anstatt auf die Rechtschreibung (sic) lieber darauf konzentrieren, den „Narrativ“ einer Partei zu dieser Frage zu enttarnen.
Inhalt und Sprache
Mal abgesehen, dass ich beim Wort Narrativ Pickel kriege, heißt das eine tun nicht, das andere zu lassen. Beides ist gleich wichtig: Inhalt und Sprache. Was nützt uns ein Inhalt, wenn die Sprache die Empfänger jenes Inhalts nicht erreicht? Wenn sie den Hörer oder Leser ratlos lässt? Die Kunst des Journalisten ist es, komplizierte Sachverhalte so aufzuschreiben, dass sie Oma Mackeprang genauso versteht wie Professor Klixhuber. Mit korrekter Rechtschreibung, verständlichen, aber nicht allzu schlichten Wörtern, einer gut lesbaren Sprachmelodie und richtigem Inhalt. Weniger sollte es nicht sein.
Gerade bei Aktivisten, egal auf welchem Feld, sehe ich zunehmend das Gegenteil. Eine Sprache, die ausschließt, obwohl sie doch gerade das Gegenteil erreichen und Menschen überzeugen will. Oder was soll ich von so einem Satz halten: „Die, die sonst am lautesten ,Whataboutism!‘ bei Besorgtis outcallen, überschlagen sich gerade in weirden Vergleichen.“? Und nein, da ist kein Tippfehler drin.
4 Kommentare
mimenda
Es geht doch bei Texten stets um eine Zielgruppe. Insofern ist es müßig, so schreiben zu wollen, dass es Ottonormalverseucher und Graf Rotz von der Backe verstehen. Was ich deinem Zitat vorhalte, ist die Wichtigtuerei der Autorin, nicht die Fremdwörter. Ihren Satz hätte sie auch ohne Sinnverlust so formulieren können: „Die Verursacher sollten dafür zahlen, denn sie lassen seit Jahrzehnten die Allgemeinheit dafür aufkommen.“
Wenn es um fremde Wörter ginge und diesen grunddämlichen Anspruch, alle da abholen zu sollen, wo sie (rum)stehen, dann darf man nicht mal „aufkommen“ schreiben, um ein zweites „zahlen“ zu vermeiden. Denn schließlich kann man sich heute nicht einmal mehr sicher sein, dass Hinz und Kunz „aufkommen“ im Sinn von „für etwas zahlen“ verstehen.
Meine Gedanken zu der Misere sind diese: die meisten Menschen haben Defizite (erlaubt, oder?). Die Funkel-, Gaukel- und Glitzerwelt da draußen zwingt sie, diese bloß nicht sichtbar werden zu lassen. Also behängen sie sich mit Attributen (auch wieder son bescheuertes Fremdwort), die sie besser scheinen lassen sollen als sie sind. Dabei ist es unerheblich, ob ein solches Attribut ein fettes Auto, das neuste Handy, ein toll klingender „Job Title“ oder halt ein (hoch)geschraubter Stil ist. Es geht bei all dem um Abgrenzung und Selbsterhöhung, wobei ich mich frage, ob da überhaupt von einem „Selbst“ zu reden ist, denn diese ach-so-individualistische Welt leidet offenbar vor allem an der Fremdbestimmung, der sie auch durch noch so grandiose Allüren (muss man das auch erklären? :-)) nicht entgeht.
Texte sollen Menschen mitnehmen, am besten natürlich mitreißen (von wegen „abholen“, obwohl wir Deutsche ja in Bezug auf das Mitreißen dunkelste Erfahrungen gemacht haben). Niemals aber kann man es allen rechtmachen und einen jeden ansprechen. Denn wer so redet oder schreibt, dass es alle verstehen, hat nichts zu sagen!
Susanne
Ja, in vielem stimme ich Dir zu. Solche Sätze künden tatsächlich von der Arroganz der Autoren. Und natürlich sind Fachtexte etwas anderes als Zeitungstexte. Selbst da darf das Niveau natürlich nicht zu flach sein, deshalb das von mir beschriebene Kunststück, gleichzeitig verständlich, aber auch stilvoll und mit schöner Sprachmelodie zu schreiben. Dass manche selbst das nicht verstehen, weil sie Defizite haben, lässt sich dann nicht ändern. Insofern ist der Spruch vom doofsten Leser nicht ganz ernst zu nehmen. Zumal gerade die wahrscheinlich keine Leser sind.
Speziell den von mir kritisierten Formulierungen werfe ich vor, dass sie von Leuten stammen, die damit argumentieren, also andere überzeugen wollen. Doch gerade dann muss ich doch so schreiben, dass ich die Adressaten nicht abschrecke. Manchmal denke ich sogar, die Texte sollen gerade die ausschließend, die nicht zur eigenen Blase gehören. Ich habe mich dem Thema schon mal gewidmet. https://pyrolim.de/pyropro/das-kauderwelsch-der-feministinnen/
mimenda
„Manchmal denke ich sogar, die Texte sollen gerade die ausschließend, die nicht zur eigenen Blase gehören.“
Das scheint mir geradezu ein allgemeines Gesetz zu sein, das einerseits darauf fußt, dass man sich nicht in die Karten oder in den Kochtopf schauen lassen will (da könnte ja jeder sehen, wie schlecht das Blatt ist oder dass man auch bloß mit Wasser kocht). Zum anderen geht es gerade unter den Bedingungen des heutigen Wirtschaftens (immer schneller, höher, weiter, „besser“ usw.) auch um Herrschaft, die man durch Verklausulierung dessen zu sichern trachtet, was in Wahrheit Sache ist.
Das Publikum hat sich dieses Prinzip bereits in erheblichem Maße zu eigen gemacht, insofern die Zahl jener offenbar immer größer wird, die nur noch das für bare Münze halten, was sie glauben wollen. Da ist es egal, wie man schreibt, Hauptsache es trifft den Gegner und kühlt das „Wütchen“.
Die Auseinandersetzung abseits der Blasen ist hingegen zu einem Wettstreit auf Talkshow-Niveau verkommen: wenn da mal jemand Tacheles redet (also Machtstrukturen aufzudecken sucht), fällt die Meute über ihn her. Als Beispiel mag hier Herr Kühnert herhalten, der es kürzlich gewagt hat, ein Fragezeichen an die Heilige Kuh des Kapitalismus zu machen, nämlich an das Eigentum. Obwohl es extrem unwahrscheinlich ist, dass seine Ideen eine Mehrheit finden, reagiert die Politikerklasse, als sei sie von einer Tarantelherde gestochen worden.
Nach meinem Empfinden liegt das Kind längst im Brunnen. Die veröffentlichte Meinung hat wenig mehr zu tun mit der öffentlichen Meinung. Diese sucht sich ihre „Wahrheiten“ immer mehr im Internet, jene hat sich weitgehend zum Werbeorgan der Verhältnisse gemacht und genießt daher kaum mehr Autorität.
Schreiben in diesen Zeiten scheint mir daher sehr vielen Anforderungen zu unterliegen. Die Ästhetik kommt da als erstes – und notwendig (da sie keinen „Mehrwert generiert“) – zu kurz, wobei ich das außerordentlich bedauere, da ich sie nicht für überflüssigen Schmuck halte, sondern für eines der Werkzeuge der Wahrheit. Aber das ist ein weites Feld…
Marenda
Kurz, klar, sachlich und sehr, sehr wahr. Deinen Text sollte sich diese „narrative“ Person mal verinnerlichen.
Vergangene Woche hatten wir eine interne Weiterbildung. Da ging es genau auch um solche Sachen. Und als Lokaljournalistin schaut man eben doch drauf, dass möglichst alle verstehen, um was es geht, ohne überheblich rüberzukommen und so, dass alle den Artikel lesenswert und informativ finden.