Ich, die Fotografin, die nicht löschen kann

Ich liege wieder gut im Rennen: um die 2500 gespeicherte Fotos zeigt der Lightroom-Ordner für dieses Jahr an. In den vergangenen Jahren waren es immer ungefähr genau so viele. Darunter viele sehr ähnliche. Meine Fotografie-Organisation ist ein Graus. Aber ich kann nicht anders.
Gordischer Knoten

Zunächst: 2500 Fotos im Jahr sind nicht so viele, wenn man die Fotografie professionell betreibt. Bei mir liegt der Fall etwas anders, ich fotografiere beruflich, als Reporterin, aber diese Fotos landen nicht zu Hause auf meinen Festplatten, sondern im Redaktionsarchiv. Was ich privat archiviere, sind Fotos, die in meiner Freizeit entstehen. Manchmal fällt auch im Job etwas fürs private Archiv ab wie die orangefarbenen Bänder. Die habe ich bei einer Baustellen-Reportage entdeckt. So ist das, wenn man einen fotografischen Blick hat: Die Motive liegen auf der Straße, zumindest in diesem Fall.

Foto-Sozialisation

Was ich zu Hause bunkere, ist also alles privat. Was ich aber nicht ablegen kann, ist das journalistische Fotografieren, wie sich es gelernt habe. Heißt konkret: Jedes Motiv etliche Male aufnehmen. Damit war ich früher beim analogen Fotografieren auf der sicheren Seite. So halte ich es heute noch. Zumal wenn mehrere Menschen auf einem Foto sind, weil einer immer die Augen zu hat oder blöd guckt. Früher haben wir uns über Kontaktbögen gebeugt, um die besten Fotos herauszusuchen. Von ihnen wurden Papierabzüge gemacht, die es in die Zeitung schafften. Heute suchen wir die passenden Fotos für Print und Online am Bildschirm aus.

Auch wenn jedes Foto heute sofort auf dem Display der Digitalkamera kontrolliert werden kann: Das Dauerklicken auf Terminen ist geblieben. Jedes Motiv wird vielfach und von verschiedenen Standpunkten aus fotografiert. Und weil das nun mal drin ist in mir, mache ich das auch privat so. Das führt aber dazu, dass sich die ähnlichen Fotos im Archiv stapeln.

Aussortieren ist so schwer. Die eigenen Fotos zu beurteilen, finde ich fast unmöglich. Ab und zu überkommt es mich. Dann beginne ich, Bilder zu löschen. Da in den seltensten Fällen Belichtungsfehler oder Unschärfe vorliegen, geht es darum, aus mehreren Fotos desselben Motivs das beste herauszufinden und den Rest von der Festplatte zu fegen.

Die Hälfte bleibt übrig

Ich klicke hin, ich klicke her, ich vergleiche, ich überlege – und lösche von zehn Fotos fünf, weil die übrigen doch ganz gut sind, obwohl es völlig reichen würde, eines von der überschwemmten Wiese, dem Rapsfeld hinterm Haus oder den Muscheln am Strand zu behalten. Ach Mensch. Immerhin: Wenn ich fürs Blog hier oder sonst einen Zweck ein Foto brauche, habe ich fast alles zur Hand. Wobei, seien wir ehrlich, es dabei gar nicht immer auf große Fotokunst ankommt.

Habe ich mich dann endlich entscheiden, welche Fotos gelöscht werden sollten und welche nicht, geht das nächste Drama los. Ich bearbeite ein Bild, bis es mir gefällt, fertige dann aber noch diverse Varianten an. Und dann kann ich mich wieder nicht entscheiden, welche mir am meisten zusagt. Also hebe ich alle auf und schon wird die Festplatte wieder ein bisschen gefüllt.

Ich brauche mehr Entschlusskraft. Ich muss rigider mit meinen Bildern umgehen. Aber das ist so schwer. Noch schwerer wäre es aber, mich beim Fotografieren an die Kandare zu nehmen. Aber an irgendeiner Stelle muss ich den Hebel ansetzen. Es bleiben also drei Möglichkeiten: weniger fotografieren, mehr löschen – oder neue Festplatten kaufen.

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