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Hakenkreuz, Fotos und Social Media

Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, auf einem Truppenübungsplatz der Bundeswehr zu fotografieren. Dort steht ein Hochbunker, den die Nazis erbauten. Generationen von russischen und deutschen Soldaten versuchten, ihn mit allen denkbaren Waffen zu zerstören. Der dicke Turm aus dickem Beton diente als Zielobjekt. Er hielt stand. An seiner Seite prangt bis heute unzerstört ein Hakenkreuz. Stellt sich mir die Frage: Darf ich ein Foto von dieser Seite des Bunkers veröffentlichen?

Der Bunker ohne Hakenkreuz. Ich habe die Stelle (roter Pfeil) reuschiert.
Der Bunker ohne Hakenkreuz. Ich habe die Stelle (roter Pfeil) retuschiert.

In Deutschland sind die Verwendung und das Zeigen des Hakenkreuzes strafbar. Den Sinn dahinter hat mir mal ein Medienrechtler erklärt: Der Gesetzgeber möchte nicht, dass das Symbol, das für millionenfaches Leid und das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte steht, in unseren Alltag zurückkehrt. Dass sich Menschen an den Anblick gewöhnen, es gar als normal empfinden. Denn es steht für die Zerstörung der Grundrechte, für Völkermord, Menschenverachtung und ist ein Angriff auf die Demokratie. Wer es verwendet, macht sich damit gemein, signalisiert, dass er hinter dem Gedankengut der Nazis steht.

Warum sehen wir dennoch so viele Hakenkreuze und andere verbotene Nazisymbole und -gesten, etwa in Filmen, Büchern, Ausstellungen (die Straße lasse ich hier trotz der aktuellen Ereignisse mal beiseite). Grund ist der sperrige Begriff der Sozialadäquanzklausel. Heißt übersetzt: Für Bildung, Wissenschaft, Kunst, die Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen oder die staatsbürgerliche Aufklärung ist es erlaubt, das Hakenkreuz zu zeigen. Wie ich gelernt habe, liegt diese Latte manchmal ziemlich niedrig.

Zurück zu meinem Bunker. Dekliniere ich die oben genannten Ausnahmen durch, bleibt fraglich, ob ich das Foto mit der Hakenkreuz-Seite zeigen darf. Es ist zwar nur Beiwerk, hebt sich sogar ein bisschen weniger deutlich als die Buchstaben PRW 5 von der fleckigen Betonwand ab, aber es ist eindeutig ein Hakenkreuz. Poste ich es in meinem Flickr-Account, dürfte das wohl kaum als Staatsbürgerkunde, Wissenschaft oder Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen durchgehen.

Ich könnte mich höchstens auf die Kunst berufen, Fotokunst. Wann ein Foto Kunst ist, ist eine vieldiskutierte Frage, die bis heute nicht abschließend beantwortet ist. Immerhin wird Fotos üblicherweise eine sogenannte Schöpfungshöhe zugestanden. Sprich: Hinter jedem Foto steht eine geistige, eine schöpferische Leistung. Das kann ich nur unterstreichen, ich mache mir Gedanken, bevor ich auf den Auslöser drücke.

Kann ich das Bunkerfoto also samt Hakenkreuz auf meinem Flickr-Account zeigen, es bei Twitter oder Facebook posten und mich dabei auf die Kunstfreiheit berufen? Das erscheint mir doch ein wenig riskant. Andere scheinen damit kein Problem zu haben. Wer bei Flickr das Suchwort Hakenkreuz eingibt, findet weit über 1000 Fotos. Die dort gezeigten Symbole hängen in Museen, an Denkmälern oder Gebäuden oder sind Graffiti. An einem Gebäude, wenn man es so nennen will, hängt mein Hakenkreuz schließlich auch.

Trotzdem, ich werde es nicht zeigen. Das ist mir zu heikel. Und ich will es nicht populär machen, niemanden daran gewöhnen. Auch wenn ich die Gefahr bei meinem Foto für gering halte, verzichte ich auf das Zeigen des Hakenkreuzes. Ich habe das Foto ein bisschen retuschiert.

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

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