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Erlebbar – ein nicht mal temporär zu ertragendes Wort

In jüngster Zeit nerven mich zwei Wörter, die zunehmend in allerlei Texten auftauchen: temporär und erlebbar. Das eine ist für viele unverständlich, das andere ist das, was ich ein Krückenwort nenne: Man weiß, was man sagen will, kann es aber nicht richtig ausdrücken. Also erfindet man eine Krücke.

Ich weiß nicht, wo das Wort temporär ursprünglich hauptsächlich verwendet wurde, ob in Wissenschaftskreisen oder ob es aus dem Englischen übernommen wurde. Seit einiger Zeit taucht es immer mehr in alltäglichen Texten auf. Das erste Mal bewusst gehört habe ich es, als die Gärtner einer geplanten Landesgartenschau von „temporärer Bepflanzung“ sprachen. Also ich kenne die als wechselnden Blumenschmuck oder Bepflanzung je nach Jahreszeit. Temporär war mir in diesem Zusammenhang neu. Mittlerweile ist von temporären Straßensperrungen die Rede, von temporären Lärmbelästigungen, von temporär zugesprochenen Flächen und von Exponaten, die nur temporär in einer Ausstellung zu sehen sind. Und das sind nur ein paar Beispiele. Ich wette, ich könnte alle diese Angaben machen, ohne einmal das Wort temporär zu benutzen. Allerdings fürchte ich, dass es sich auf immer festgesetzt hat. Das ist immer so bei Begriffen, die auf einmal aus dem Nichts auftauchen und sich schnell weiterverbreiten.

Bei dem Wort erlebbar liegt der Fall etwas anders. Es ist ein Lieblingswort von Stadtplanern, Sportveranstaltern und Inklusionsfachleuten. Richtig hieße es, die Stadt solle so gestaltet werden, dass man sie erleben kann, dass Zuschauern eine Sportart nahegebracht, das Zugucken zum Erlebnis wird. Bei der Inklusion heißt es, durch sie werde wahlweise Schule, der öffentliche Raum oder was auch immer „erlebbar für alle“. Auch dafür ließen sich sicher besser Formulierungen finden.

Das Suffix bar ist die häufigste Form, um Adjektive aus Verben zu bilden. Das hat schon einige Blüten hervorgebracht, etwa tanzbar, reparierbar, eroberbar. Nicht in diese Kategorie fällt jedoch das Werbewort unkaputtbar, weil dabei kein Verb mit -bar gebildet wird.

Der Duden definiert erlebbar als „so geartet, dass es innerlich empfunden und erlebt werden kann“. Gut, das ist zu ausführlich formuliert und nicht übertrag – Achtung! bar. Trotzdem bin ich dafür, das Wort erlebbar aus dem Wortschatz zu streichen. Wie wäre es etwa mit „Wir wollen eine liebenswerte Stadt“ oder „Die Schule soll barrierefrei sein“ statt erlebbar für alle? Dafür wäre ich dankbar.

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

2 Kommentare

  • Wolve

    Interessanter Artikel. Ich selbst mache mir über solche Dinge (fast) keine Gedanken, außer es fällt etwas extrem auf.
    Die beiden Worte temporär und erlebbar sind mir nie extrem aufgefallen. Nachdem ich diesen Artikel gelesen habe und mir einige Gedanken dazu gemacht habe, muss ich nun sagen, dass mir das Wort erlebbar immer „blöder“ vorkommt.
    Es ist etwas erlebbar … irgendwie ist dieses Wort doch absolut unnütz … was ist den nicht „erlebbar“, alles ist „erlebbar“ … das Wort braucht man eigentlich nicht …

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