erlebt,  Pyrocontra

Das lange Warten oder: Wie ich Meister im Nichtfliegen wurde

Ab  wann darf man sich Experte nennen? Ab dem dritten Mal, dass man etwas gemeistert hat. Ich jedenfalls fühle mich bald als Expertin im Nichtfliegen. Gerade habe ich meine dritte große Nichtflug-Aktion hinter mich gebracht. Es war die schlimmste und längste. Hier gibt’s jetzt in umgekehrter Reihenfolge meine Nichtflug-Erlebnisse.

Kein Entrinnen vor Xaver

Viele haben es live miterlebt, weil ich mir den Frust von der Seele twittern musste. Vor einer Woche bin ich in Richtung Seychellen aufgebrochen. Ausgerechnet am Tag, an dem Sturmtief Xaver wütete. Um 14.30 Uhr sollte es mit Emirates losgehen ab Hamburg via Dubai nach Mahé, auf die Hauptinsel der Seychellen. Was haben wir gezittert, ob es uns gelingen würde, noch vor dem Eintreffen von Xaver abzuheben. Hätte auch fast geklappt. Bei meinem Eintreffen auf dem Flughafen waren zwar etliche Inlands- und innereuropäische Flüge bereits gestrichen, unserer aber stand immer noch als planmäßig gelistet auf der Abflugtafel. Am Check in wurde uns versichert, der Flug werde planmäßig starten.

Es ging auch alles erst einmal gut. Wir sahen die Maschine sogar landen.Dann wurden wir zum Boarding aufgerufen. Hoffnung. Enttäuschte Hoffnung.

Und dann ging gar nichts mehr. Eine Windböe hatte auf dem Rollfeld einen Container umgeweht, sofort nachdem die Passagiere das Flugzeug verlassen hatten, musste der Finger, die Verbindung zum Terminal, vom Flugzeug gelöst werden. Viel zu gefährlich. Der Finger könnte gegen das Flugzeug schlagen, befürchtete die Flughafenverwaltung. Aus diesem Grund durften auch die Gepäckklappen nicht geöffnet werden. Und ans Tanken war schon gar nicht zu denken. Also warten, warten, warten. Dazwischen immer wieder das Gerücht, laut Wetterdienst komme noch eine Sturmpause, dann hoffe die Fluggesellschaft, die Maschine fertig machen und starten zu können. Tatsächlich wurde sie noch aufgetankt, aber das Gepäck konnte nicht entladen werden. Die mit der Maschine angekommenen Fluggäste mussten bis zum nächsten Tag auf ihre Koffer warten. Und auch wir mussten warten. Am späteren Nachmittag kam die Nachricht, dass der Flug bis zum nächsten Morgen verschoben werde. Emirates hatte Busse organisiert, die die Fluggäste ins Hotel brachten. Gutes Hotel, Abendessen, Frühstück, alles bestens organisiert. An der Rezeption hieß es, Emirates sei in dieser Hinsicht top. Statt auf den Seychellen saßen wir nun im stürmischen Hamburg. Und am nächsten Morgen sah es nicht viel besser aus.

Boarding, Boarding abgebrochen, dann doch Boarding, dann noch einmal zwei Stunden in der Maschine sitzen und warten und dann endlich – Abflug. Das waren die längsten 24 Stunden meines Lebens. Das Warten zermürbte ungemein.

Zur Abwechslung ein Sandsturm

Da wurden Erinnerungen wach an einen anderen Flug, der um 24 Stunden verschoben wurde. Völlig überraschend und damals zum Glück noch ohne zermürbende Wartezeit. Aber die Geschichte an sich ist bemerkenswert. Es sollte nach Afghanistan gehen, nach Kundus, zu den deutschen Soldaten. Wir waren eine Gruppe von neun Leuten: Künstler der Eutiner Festspiele, der damalige Intendant, der Bürgervorsteher von Eutin und ich. Abflug vom Militärflughafen Köln-Wahn mit einem Bundeswehr-Airbus nach Termez in Usbekistan, dem Flug-Umschlagplatz für die deutschen Truppen. Gepäck abgegeben, eingecheckt, Warten aufs Boarding.

Da war noch alles gut: Der Moment vor der Nachricht von der Flug-Absage.
Da war noch alles gut: Der Moment vor der Nachricht von der Flug-Absage.

Und dann trat ein schneidiger Luftwaffen-Leutnant in die Wartehalle und rief mit Stentorstimme: „Der Flug wird wegen eines Sandsturms in Termez um 24 Stunden verschoben.“ Na toll. In Köln war Messe, woher Hotelzimmer für neun Leute nehmen? Es gab keine. Wir haben die Nacht in der Luftwaffenkaserne in Wahn verbracht, in Mehrbettzimmern mit Stockbetten. Der reinste Luxus, denn als wir am nächsten Tag in Termez eintrafen, gab’s für die Nacht bis zum Weiterflug nur Pferdedecken und Feldbetten, für die Damen immerhin im Ladys Tent, in dem allerdings zwei ausgewachsene Kerle schnarchten.

Und ein Aschesturm

Mein Nichtflug war der entspannteste, obwohl die Verschiebung in diesem Fall ein halbes Jahr dauerte. 2010 im Frühjahr sollte es nach Irland gehen. Bis zum letzten Tag vor dem Abflug war unklar, ob er stattfinden würde. Der Eyjafjallajökull auf Island war ausgebrochen und hatte ganz Europa mit einer Aschewolke überzogen. Fliegen? Keine Chance. Die Irlandreise hat dann statt im Frühjahr im Herbst stattgefunden. Sie war trotzdem sehr schön.

Ich bin also ein erfahrener Nichtflieger und kann vor allem eines: warten. Das war auch auf dem Rückflug von den Seychellen so, als die Maschine von Dubai nach Hamburg eine Rundfahrt auf den Startbahnen unternahm – das kann man jetzt dank Außenbordkameras sehen -, aber immer einen Flieger vor sich hatte und keine Starterlaubnis bekam. Über eine Stunde dauerte auch diese Warterei. Dank Rückenwind und weil der Pilot auf die Tube drückte, sind wir dann aber doch pünktlich in Hamburg gelandet. Ich hätt’s fast nicht mehr geglaubt.

Der nächste Flug steht für mich noch in den Sternen. Ich weiß noch nicht, wann in wieder fliegen werde und wohin. Aber ich hoffe, dass es mal wieder ein richtiger, pünktlicher Flug wird. Nichtfliegen kann ich jetzt wirklich.

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

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