Oma, Opa und der goldene Ehering
Es gibt eine Geschichte von meinen Großeltern mütterlicherseits, die mich immer wieder berührt. Die vom goldenen Ehering. Er ist ein Symbol für ein arbeitsreiches Leben von Oma und Opa. Genau gesagt gab es sogar drei Eheringe nur für Oma.
Meine Oma Auguste und mein Opa Karl sind beide Jahrgang 2001 und beide nacheinander 1976 gestorben. Erst die Oma, dann kurz danach der Opa an diversen Krankheiten und an gebrochenem Herzen. Jugendfotos zeigen die beiden mit ernsten Gesichtern, wie es wohl damals bei Studiofotos üblich war. Beides sind Familienfotos, bei dem einen sitzt der Patriarch, also der Familienvater, in der Mitte, beim anderen etwas an der Seite. Beide Fotos sind schlecht abfotografiert, weil sie hinter Glas sind. Die Originale sind scharf.
Der ernste Karl und die ernsten Auguste haben sich irgendwann kennengelernt, geheiratet und 1929 einen Sohn und 1935 eine Tochter, meine Mutter, bekommen. Vor allem aber haben sie gemeinsam einen Bauernhof bewirtschaftet. Unterstützt von einer unverheirateten Cousine, möglicherweise die junge Frau neben meiner Großmutter auf dem ovalen Familienbild. Da meine Mutter nicht mehr lebt, kann ich sie nicht fragen.
Arbeit hat den Ehering gefressen
Aber mir sind noch viele Erinnerungen, die meine Mutter an ihr Elternhaus hatte, im Gedächtnis. Vor allem berichtete sie von viel Arbeit. Und da kommt der goldene Ehering ins Spiel. Meine Oma hatte, erzählte meine Mutter, drei Eheringe. Die ersten beiden sind irgendwann verschwunden, von der schweren Arbeit aufgerieben, haben sie sich einfach aufgelöst. Nun war das damals sicher nur 333er Gold, aber dennoch. Man stelle sich das nur mal vor: Die Hände wurden so stark beansprucht, dass zwei Eheringe einfach weggearbeitet wurden. Den dritten hat sie noch bis zu ihrem Tod getragen.
Mein Opa Karl hat seinen Ehering offenbar niemals getragen, denn es ist nicht überliefert, dass er ihn ebenfalls weggearbeitet hat. Und er hat noch schwerer mit seiner Hände Arbeit den Lebensunterhalt der Familie und die Existenz des Hofes sicherstellen müssen. Im Sommer auf dem Acker, im Winter mit den Ackerpferden im Solling beim Holzrücken. Und das, obwohl der Opa doch immer so sehr fror. Die Familienlegende weiß zu berichten, dass ihm erst warm wurde, wenn er auf dem Ofen saß und das Wasser im Mund kochte.
Die Oma hat im Stall und auf dem Feld gearbeitet. Sie hat gekocht, gebacken, gewaschen. Sie hat im Krieg und in den Hungerjahren danach die Familie ernährt, wobei das auf dem Land sicher einfacher war als in der Stadt. Meine Mutter hat manchmal von Kriegssahne berichtet. Das war etwas, was selten auf den Tisch kam. Eine Art Sahne-Ersatz aus Eischnee.
Fuchskragen für Oma und Maßanzüge für Opa
Es war also ein hartes Leben, das Oma und Opa führten. Und doch zeugt Mutters Fotoalbum davon, dass nicht alles Last und Mühe war, vor allem in den 50er Jahren. Da waren die Pferde, der Reit- und Fahrsport. Das Schwimmen in der Weser. Außerdem gönnten sie sich manchmal etwas, was heute als extravagant gilt: Meine Oma besaß einen Fellkragen aus Fuchsfell und mein Opa ließ sich seine Anzüge maßschneidern. Die hielten allerdings auch Jahrzehnte, schon, weil sie selten getragen wurden. Ich kenne meinen Opa eigentlich nur mit Joppe, Gummistiefeln und Schirmmütze. Auch davon gibt es ein Bild in Omas Fotoalbum.
Ich habe meine Großeltern sehr geliebt, vor allem Oma Auguste. Sie war immer zufrieden mit sich und ihrem Leben, hat nie gemeckert und ihre Enkelkinder umsorgt, wann immer sie sie traf. Sie war eine wunderbare Frau.