Omas Fuchs und die Pelz-Polizei
Ich habe mir gerade ein Shitstörmchen bei Facebook eingehandelt. Es ging um die Pelz-Polizei. Dabei habe ich wieder einmal festgestellt, dass die Leute nicht lesen können. Sie haben mich für etwas runtergeputzt, das ich gar nicht geschrieben habe. Ein paar Gedanken zu Pelz, der Pelzpolizei und Omas Fuchs.
Ich kommentiere selten bei Facebook. Aber in diesem Fall konnte ich nicht an mich halten. Es ging um die Pelz-Ermittler, die in Lübeck herumgelaufen sind und Leute ansprachen, von denen sie glaubten, dass sie Pelz tragen. Nicht als Mantel, sondern als Bommel an der Mütze oder als Kragen an der Kapuze. Andernorts traten diese Leute bereits als Pelz-Polizei auf, und so sehen sie auch aus. Der Polizeiuniform ähnliche Jacken, eine Art Wappen auf dem Oberarm-Ärmel und – bis vor kurzem – die Aufschrift „Pelz-Polizei“ auf der Brust. Das ist ihnen offenbar verboten worden, weshalb dort jetzt „Pelz-Ermittler“ steht. Die Aktivisten suchen das Gespräch, wenn sie meinen, einen Pelzträger gesehen zu haben. Ihr Ziel: Aufklärung. Sie wollen sensibilisieren für das Leid der Tiere.
Lasst mich in Ruhe
Ich will aber nicht in der Öffentlichkeit angesprochen werden, weil irgendjemandem nicht gefällt, wie ich lebe. Was geht es diese Leute an, was ich anziehe? Ich will mir nicht von Fremden auf der Straße sagen lassen, was ich tun oder lassen soll. Das ist völlig unabhängig davon, dass ich Pelz ebenso ablehne wie fast alle. Aber dieses extreme Sendungsbewusstsein aller möglichen Leute, die meinen, anderen im Namen der guten Sache Vorschriften machen zu müssen, ist nicht in Ordnung.
So ähnlich lautete auch mein Kommentar auf Facebook. Da hatte sich aber etwas losgetreten. „Dummheit tut weh“, musste ich mir ins (Kommentar)-Stammbuch schreiben lassen. Dabei ging es gar nicht darum, dass ich Pelz gut finde, und das hatte ich auch geschrieben. Auch dass niemandem etwas vorgeschrieben werde und dass es um Aufklärung gehe, die angebracht und vonnöten sei, wurde mir bedeutet. Heftig wurde es bei „Ignoranten links raus und drei Meter unter die Erde . . . da gehört ihr hin.“ Egal. Sich über harsche Äußerungen im Netz aufzuregen, ist überflüssig. Darüber ist schon alles gesagt worden.
Zurück zur Pelz-Polizei und meiner Meinung dazu. Wenn das Schule macht, gibt es demnächst für alle einen Spießrutenlauf in der Innenstadt. Selbst ernannte Irgendwas-Polizisten sprechen Leute mit Kaffee-to-go-Bechern und Plastiktüten auf das Müllproblem an, Mütter mit Eis schleckenden Kindern werden von der Zucker-Polizei zur Ordnung gerufen und die Rote-Ampel-Ignorierer unter den Fußgängern werden von den Vorbild-Ordnungshütern gerüffelt. Ich übertreibe? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.
Ein Menschenrecht
Deshalb meine klare Ablehnung der Pelz-Ermittler. Der öffentliche Raum ist nicht der Ort, um Menschen auf ihr angebliches oder tatsächliches Fehlverhalten anzusprechen. Infotische oder Flyer zu verteilen, ist noch etwas anderes, als die Menschen direkt anzusprechen und zur Rede zu stellen. Oder wie es ein Facebook-Kommentator formulierte: „Ich könnte mir vorstellen, dass die Reaktionen deshalb so ausfallen, weil fanatischer Aufklärungswille gekoppelt mit der Methode, die Menschen durch Erzeugen eines schlechten Gewissen zu erziehen, noch nie gut angekommen ist.“ Er zitiert dann noch noch den Freiheitsdenker Roland Baader: „Das einzige, wirkliche wahre Menschenrecht ist das Recht, in Ruhe gelassen zu werden.“ Das gelte für jeden Menschen, ganz gleich wie er ist und was er tut, kauft oder am Leibe trägt.
Wie wahr. Es geht um die Methode der Pelz-Polizei, nicht um den Inhalt dessen, was sie vermitteln will. Ich will nicht auf der Straße angesprochen werden, würde dennoch nie Pelz tragen.
Omas Fuchs
Nun, fast nie. Das Problem ist, dass ich einen Pelz besitze. Er ist ein Erbstück, mein Großvater hat den Fuchs, der jetzt ein Kragen ist, selbst geschossen und für meine Großmutter verarbeiten lassen. Nun hängt der arme Fuchs seit Jahren bei mir im Schrank und wird nicht ausgeführt, weil Pelz zu tragen völlig indiskutabel ist. Ich habe mir überlegt, ihn mal herauszuholen, wenn ich eine Einladung bei richtig schnöseligen Leuten habe – falls das jemals vorkommen sollte. Denn es hilft dem Tier heute nicht mehr, wenn ich ihn nicht trage. Der Fuchs ist schon über 70 Jahre tot, da kann ihn auch keine Pelz-Polizei mehr retten.
3 Kommentare
Margrit
Es gibt Kommentarschreiber, die sind echt übel. Fanatismus, oft leider auch mit Dummheit gepaart.
Deine (philosophischen) Gedankengänge finde ich nachvollziehbar und durchaus nicht übertrieben. Es gibt ja genug selbsternannte Polizisten und eben auch Fanatiker auf dieser Welt. Schwierig, mit solchen Leuten zu diskutieren – oder auch schier unmöglich…
Peter Schmitz
Volle Zustimmung von meiner Seite, Susanne! Pseudo-Polizisten und selbsternannte Volkserzieher machen irgend etwas, von dem sie überzeugt sind, zum alles rechtfertigenden Kriterium. Dieser hehre Zweck heiligt dann vermeintlich alle Mittel, und schon bleiben Menschlichkeit, Respekt für andere und alle anderen Werte, denen man sich doch eigentlich – wenn man genau nachdenkt – verpflichtet fühlt, auf der Strecke. Dieser Mechanismus erfasst leider nicht bloß Leute, die man sowieso nicht mag und mit denen einen nichts verbindet. Es sind eben nicht nur die Rechten, die Spießer, die XYZ-Fanatiker oder andere Von-vornherein-Unsympathen, bei denen das so läuft, sondern bisweilen auch Leute, die sich für etwas einsetzen, was man selbst vielleicht ganz okay findet. Insofern kann ich das, was Dir widerfahren ist, und Deine Gedanken dazu sehr gut verstehen. Facebook, Twitter und andere „soziale“ Medien machen es leicht, unmenschlich zu handeln und sich aufs verbale Draufhauen um des vermeintlich eigenen Rechthabens willen zurückzuziehen: Man muss denjenigen, die man verletzt, beleidigt und klein macht, dabei ja nicht wirklich in die Augen schauen.
Susanne
Genau das ist das Dilemma: Wenn eine an sich gute Sache durch das Handeln von Aktivisten unterlaufen wird. Einerseits kann ich verstehen, dass manche meinen, normale Öffentlichkeitsarbeit alleine reiche nicht für das hehre Ziel, andererseits schrecken sie dann durch übertriebene Aktionen Menschen ab, die im Herzen ihre Meinung teilen. Letztlich ist es für alle, die sich einem Anliegen verschrieben haben, eine Gratwanderung, über die genau nachgedacht werden muss.