Ehrenfriedhof: Kriegskitsch und Hinkelsteine
Umtost vom Verkehr großer Straßen, liegt in Lübeck ein Waldstück mit alten Bäumen. Darin viele, viele Gedenksteine. Es ist der Ehrenfriedhof. Ein Spaziergang durch diesen Wald lohnt sich.
Auf fünf Hektar wachsen Buchen, Eichen, Eiben und Rhododendron. Dazwischen sind auf Gräberflächen und mitten zwischen den Bäumen 1882 Gräber und etwa 500 Gedenksteine angeordnet. Teils in Reih und Glied, teils wild durcheinander zwischen den hohen Bäumen. Die meisten großen Feldsteine sind hinten unbehauen belassen, nur die Vorderseite ist geglättet und mit eingemeißelten Namen, Daten und Orten versehen. Wer durch den Wald spaziert, hat oft den Eindruck, da stünden Hinkelsteine. Bei vielen dieser Steine, die an Gefallenen des Ersten Weltkriegs erinnern, ist als Stelle des Begräbnisses ein Ort irgendwo an der Somme, der Maaß oder der von Verdun vermerkt.
Erinnerung an einen Lübecker Widerstandskämpfer
Auf einem Hügel in hinteren Teil des Ehrenfriedhofs erinnert ein Stein mit einer eingelassenen Kupferplatte an Dr. Julius Leber. Der Widerstandskämpfer im Dritten Reich wurde am 5. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet und in Berlin bestattet. Seine Heimatstadt Lübeck ehrt ihn mit dem Gedenkstein auf dem Ehrenfriedhof und mit der Dr.-Julius-Leber-Straße in der Lübecker Innenstadt.
In jener Innenstadt, die Palmarum 1942, am 29. März, beim ersten Flächenbombardement deutscher Städte durch die Alliierten zerstört wurde. 320 Einwohner wurden getötet. Ein Kreis gleicher schwarzer Kreuze auf dem Ehrenfriedhof erinnert an sie. Alle diese Kreuze tragen Namen, Geburtsdatum und als Todesdatum den 29. März 1942. Sie sind kreisförmig angeordnet um die 1960 von dem Künstler Joseph Krautwald geschaffene Skulptur „Die Mutter“, auch „Mutter mit Kindern“ genannt.
Sterbende und betende Soldaten
„Die Mutter“ ist eine von drei großen Skulpturen auf dem Ehrenfriedhof. Gleich am Eingang steht als zentrales Denkmal die vier Meter hohe Statue „Helm ab zum Gebet“. Sie mutet für den heutigen Betrachter sehr martialisch an, entsprach zur Zeit ihrer Entstehung 1924 aber wohl dem Zeitgeschmack. Dann ist das noch die von Fritz Behn in Erinnerung an seinen gefallenen Schwager 1919 erschaffene Figur „Sterbender Krieger“. Ich frage mich ja, warum der nackt ist, aber einen Stahlhelm trägt. Aber vielleicht sehe ich das einfach zu prosaisch.
Ergänzt werden diese drei großen Denkmäler von Ehrenmälern für bestimmte Gruppen, etwa für das städtische Bauamt, für den Männerchor, die Gärtnerschaft, die Lübecker Sanitätskolonne oder die Lübeck-Büchener Eisenbahngesellschaft. Und dann ist da noch das Ehrenmal für den unbekannten Flieger, einen in den letzten Kriegstagen bei Niendorf abgestürzten Piloten.
Ehrenfriedhof mit friedlichem Charakter
Dieser Lübecker Ehrenfriedhof ist eine Mischung aus oval angelegten Rasenflächen und wild im Wald verteilten Grab- und Gedenksteinen. Die Bäume des 1915 eröffneten Ehrenfriedhofs sind mittlerweile zu prächtigen Exemplaren herangewachsen. Gewundene schmale Wegen winden sich zwischen ihnen hindurch. Trotz des militärischen Anstrichs überwiegen auf diesem Ehrenfriedhof Frieden und Ruhe. Auch wenn unüberhörbar draußen der Verkehr auf der vierspurigen Travemünder Allee vorbei fließt.
Und deshalb ist der Ehrenfriedhof bei allem Leid, das hier dokumentiert und verewigt ist, ein guter Platz für einen Spaziergang. Zumal es dort selbst am Wochenende fast menschenleer ist. Nach einer Stunde Rundgang habe ich beim Verlassen des Friedhofs nur ein Paar mit einem Hund gesehen, sonst niemanden.
Und natürlich habe ich bei meinem Rundgang viel fotografiert. Aber nach meiner Rückkehr war die Speicherkarte komplett leer, was ich mir nicht erklären kann. Deshalb gibt es hier nur die einzigen beiden Bilder zu sehen, die ich mit dem Handy gemacht habe. Wer mehr sehen will, findet Abbildungen, etwa der Skulpturen, unter den Links.