Auszug aus einem Wörterbuch von 1940 mit dem Wort "Fremdwörtelei".
gelesen,  Pyropro

Notiert: Das Sammelsurium seltsamer Ausdrücke

Menschen, die mit Texten zu tun haben, finden immer wieder seltsame oder bislang unbekannte Ausdrücke. Ich sammele solche Wörter. Inzwischen sind recht viele zusammengekommen. Deshalb gibt es hier mal völlig unsortiert und querbeet, was alles Eingang in meine Notizen gefunden hat.

Maschinenwüchsig und insektenblütig

Fangen wir mit den Bäumen an. Baum ist nicht gleich Baum. Ein guter Baum ist in der Forstwirtschaft maschinenwüchsig. Sprich er ist so gewachsen, dass er sich gut maschinell ernten, also fällen und entasten lässt. Lässt sich nachvollziehen. Naturschützer legen dafür mehr Wert auf insektenblütige Bäume. Im Gegensatz zu Blumen biete keine Pflanze so viele Blüten auf engstem Raum wie ein Baum. Jeder, der einmal im Sommer unter einer blühenden Linde vorbeigegangen ist, weiß das.

Kanalneutrale Arbeitsweise

Nein, hier geht es nicht um Abwasserkanäle. Der Begriff kommt aus dem Journalismus. Kanalneutral heißt, dass Texte so verfasst werden, dass sie auf allen Kanälen ausgespielt werden können: in der Printausgabe und online gleichermaßen. Wobei ich mich, die ich lange im Beruf bin, etwas umgewöhnen musste. Früher galt: Morgen ist morgen heute und heute ist morgen gestern. Heißt konkret: Immer so schreiben, dass es für den Leser am nächsten Tag richtig ist. Online geht das ganz anders: Da ist heute Mittwoch, Donnerstag, Freitag oder ein anderer Wochentag. Und Texte gehen noch am selben Tag raus, für Zeitungsjournalisten eine neue Erfahrung.

Visuelle Fahndungshilfe

Ein Begriff aus dem ganz weiten Feld der speziellen Sprache, der sich die Polizei befleißigt. Früher hieß das noch Phantombild. Aber wie so vieles wird ein an sich griffiges Wort in irgendeine Verwaltungssprache übersetzt, die dann die Hälfte der Menschen nicht mehr versteht. Das gute alte Phantombild hat es in Pandemie-Zeiten ohnehin schwer. Wer will noch Menschen mit Maske erkennen oder etwas über ihr Aussehen sagen können?

Normen verdeutlichendes Gespräch

Noch ein Wort aus dem Bereich Polizei und Justiz. Gemeint ist damit, dass Polizeibeamte oder Staatsanwälte Tätern oder Verdächtigen – zumeist Jugendlichen – ins Gewissen reden. Ihnen soll verdeutlicht werden, welche Normen gelten. Kurz gesagt: Benimm dich, sonst gibt es Konsequenzen.

Uterusbesitzende

Gerne auch als Menschen mit Uterus oder gebärfähige Menschen bezeichnet. Frauen dürfen angeblich nicht mehr Frauen genannt werden, sondern heißen Menschen mit Uterus. Weil es auch Transmänner und non-binäre Menschen gibt, die Kinder bekommen können. Inzwischen wehren sich aber etliche Frauen dagegen, auf ihren Uterus reduziert zu werden. Ist eine Frau ohne Gebärmutter keine Frau mehr? Vielleicht wird sie ja nur als Frau gelesen, auch so ein depperter Ausdruck.

Immunnaive

Der Euphemismus-Wahn, der überall zu beobachten ist, macht sich mittlerweile auch in der Corona-Pandemie breit. Ich habe gerade gelesen, dass Ungeimpfte jetzt auch Immunnaive genannt werden. Das ist offenbar ein medizinischer Ausdruck, der sich vor allem auf diejenigen bezieht, die bisher nicht infiziert waren oder nicht geimpft werden können. Zu den Immunnaiven zählen aber auch die, die nicht geimpft sind und deshalb dem Virus keine Immunantwort entgegensetzen können. Man kann Ungeimpfte aber auch deutlich drastischer benennen: als zerebral Verunfallte, wie es jemand auf Twitter formulierte. Wobei verunfallt mal wieder ein Wort aus dem Polizeideutsch ist.

Weitere schräge Zitate und Wörter gibt es hier.

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

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