Amadeu Antonio und der Bindestrich

Ich ärgere mich schon länger über die Amadeu-Antonio-Stiftung. Nicht über die Stiftung an sich, sondern über die Schreibweise. Ich will nicht das alte Lied vom Deppenleerzeichen singen. Aber ich kann über diese Unsitte auch nicht hinwegsehen. Wobei der Bindestrich eine etwas zielichtige Angelegenheit ist.

Die Tendenz, zusammengesetzt Wörter nicht zu koppeln, sondern die berühmte Lücke, ein Leerzeichen, dazwischen zu lassen, ist nicht neu. Und sie greift stetig weiter um sich. Gerade habe ich eine Interview-Bauchbinde im Fernsehen gesehen, ich weiß nicht mehr, wo das war. Dort stand der Name des Interviewten und darunter „CDU Politiker“, Wie bitte? Offenbar erliegen auch die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender inzwischen dieser Unsitte. Das musste ich schon einmal feststellen.

Schulen ohne Bindestriche

Meine Klage auf Twitter über die Leerzeichen hat zu Zustimmung von einer Kollegin geführt. Sie berichtete von einer Erich Kästner Realschule. In Hamburg gibt es eine Ida Ehre Schule. Solche Schulnamen habe ich auch bei uns schon gefunden. Und ich finde, das geht gar nicht. Ganz und gar nicht. Den Kindern wird so mit dem Namen ihrer Schule auch gleich die falsche Schreibweise eingetrichtert. Was haben die Verantwortlichen sich dabei gedacht? Womöglich streichen sie den Kindern sogar einen Fehler an, wenn die den Namen ihrer Schule durchkoppeln, wie es sich gehört.

Einen erzieherischen Ansatz sehe ich bei diesen Sprachmätzchen für uns Journalisten. Wir sollten diese verquaste Schreibweise nicht übernehmen, damit sie nicht noch weiter einreißt. Ich ersetze Leerzeichen in meinen Texten konsequent durch Bindestriche. Egal, ob es der Name einer Stiftung, eines Serviceclubs (Lions-Club) oder die Duden-Regeln sind, die ich schon mal als Duden Regeln gesehen habe. Dabei sagt der Duden eindeutig: „In Aneinanderreihungen und Zusammensetzungen mit Wortgruppen setzt man Bindestriche zwischen die einzelnen Wörter.“ Genau so eine Aneinanderreihung ist die Amadeu-Antonio-Stiftung.

Zu viele Bindestriche

Neben der Bindestrich-Faulheit sehe ich in jüngster Zeit allerdings auch eine gewisse Bindestrich-Schwemme. Da werden plötzlich Wörter gekoppelt, die im Deutschen nie gekoppelt wurden. So lese ich vom Wohn-Projekt und sogar vom Rad-Fahrer. Man kann’s auch übertreiben mit den Bindestrichen. Beim Betonestrich, also dem Beton-Estrich, und dem Stoff-Elch finde ich den Bindestrich dagegen mehr als angebracht. Wer weiß schon auf den ersten Blick, was ein Stoffelch ist.

8 Kommentare

  1. Ja, das ist eine mühsame Sache und wird oft als korrekt angenommen. So war ich kürzlich bei der Eröffnung eines Carl Spitteler Weges dabei. Tja…

    1. Genau das meine ich, wenn ich schreibe, dass diese Unsitte immer weiter um sich greift. Selbst offizielle Stellen wie eine Kommune oder eine Schule schrecken nicht mehr davon zurück.

    1. Der angebliche Eigenname ist für mich eine faule Ausrede. Die Amadeu-Antonio-Stiftung ist genauso wie die Ida-Ehre-Schule nach einem Menschen benannt. Wenn ein Name als Namensgeber fungiert, ist meines Erachtens das Koppeln erst recht angesagt. Außerdem werden mittlerweile mit dem Eigennamen die krausesten Kombinationen verbreitet. So gibt es bei uns eine Initiative mit Namen StievKindeR. Das steht für Stiftung für evangelische Kinder- und Jugendarbeit in der Region und geht meines Erachtens gar nicht, auch nicht als Eigenname.

  2. Meines Erachtens sollte man bei der Verbindestrichung eine Regel beherzigen, die nicht auf ästhetischen Präferenzen beruht. Wo ist der prinzipielle Unterschied zwischen „Betonestrich“ ohne Bindestrich und dem Verb „beinhalten“?

    Wer „Betonestrich“ verbindestricht, müsste das auch bei „beinhalten“ tun, also „be-inhalten“, damit niemand „bein-halten“ versteht – oder bei „kreieren“ „kre-ieren“ schreiben, damit niemand „krei-erern“ liest. Soviel Unterscheidungsvermögen trauen wir den Lesern indes bei den Verben zu, wollen sie aber offenbar bei den Nomen leiten. Warum?

    Ich halte es beruflich und privat so, dass ich Nomen, die erkennbar fremdsprachigen Ursprungs sind und sich in Bezug auf Schreibweise und Aussprache (noch) nicht dem Deutschen angeähnelt haben, verbindestriche, wenn sie auf ein anderes Nomen treffen, unabhängig davon, wie häufig sie im Deutschen verwendet werden.

    Beispiel: Server-Umgebung. Server ist als englisches Lehnwort erkenntlich. Es ist nicht in das Deutsche integriert, weil man es dann „Sörwer“ oder, wenn man sich bei der Aussprache im Deutschen an der Schreibweise orientierte (was bekanntlich niemand tut), „Serwer“ schreiben müsste. Bei „Umgebungsvariable“ würde ich keinen Bindestrich setzen, weil „Variable“ hinreichend eingedeutscht (integriert) ist. Wahrscheinlich wissen die wenigsten, dass es sich hierbei im ein lateinisches Lehnwort handelt.

    „Beton“ stammt zwar aus dem Französischen, wird aber „Betong“ ausgesprochen, ebenso wie „Balkon“ (übrigens ein germanisches/fränkisches Lehnwort im Französischen, ebenso wie „Baron“) „Balkong“ gesprochen wird. Die Anwendung deutscher Ausspracheregeln auf ein fremdsprachiges Wort zeugen von dessen Integration. Nicht jedes integrierte Fremdwort ist aber gleich stark integriert. Deshalb ziehe ich die Grenze bei den als fremdsprachig erkennbaren und in Schreibweise und Lautung unangepassten Nomen.

    Was sonstige fehlende Bindestriche betrifft, bin ich deiner Meinung. Zwar fände ich die Schreibweise „Ida Ehre-Schule“ im Grunde besser, weil hier der Eigenname erhalten bleibt, aber das führt wieder zu einer unnötigen Verkomplizierung der Regel, die man möglichst einfach halten muss, damit die Schreiber(linge) sie umsetzen können.

    1. In vielem hast du Recht. Ich fand aber beim Betonestrich einen Binde-Strich (oh nein) durchaus angebracht. Beeinhalten und kreieren ist doch wesentlich geläufiger als Beton-Estrich. Dass das eine Rolle spielt, bestätigst Du selbst mit Deinem Kommentar, wenn Du zwischen geläufigen und weniger geläufigen Nomen unterscheidest. Letztlich sollte fast alles im Dienste der Lesbarkeit stehen.

      1. Es ging mir nicht um geläufig/nicht geläufig. Das wären nämlich vage Kriterien, denn wer kennt schon das Wort „kreieren“? Eher die sogenannte Bildungsbürger. Auch „beinhalten“ ist eher (gewollt) gehobener Stil, insofern man ja „enthalten“ schreiben könnte.

        Mir ging es aber gerade um ein möglichst objektives Kriterium für die Verbindestrichung. Mir ist schon klar, dass du da nicht so sklavisch drangehen muss, wie ich, insofern du nicht deine Texte tagtäglich in verschiedene Fremdsprachen übersetzen musst. Meine Tätigkeit bedingt jedoch eine strikte, geradezu ingenieursmäßige Herangehensweise an das Thema.

        Bei mir macht es wirklich einen Unterschied, ob da „Betonestrich“ oder „Beton-Estrich“ steht, weil diese Schreibungen innerhalb eines sonst identischen Satzes zwei Datensätze in meiner Translation Memory erfordern und ich bei Wiederverwendung der Übersetzung (Fuzzy Matches) zwei Versionen angeboten bekomme.

        Wenn ich da nicht an der Quelle strikt bin, habe ich jedes Mal die Qual der Wahl – aufgrund irgendwelchen subjektiv-ästhetischen Bewertungen oder auch nur aufgrund meiner guten oder schlechten Laune.

        1. Okay, das kann ich aus Deiner Sicht nachvollziehen. Meine ist eine andere, ich schreibe für viele Leser mit sehr unterschiedlichem Bildungsstand und für Menschen, von denen manche sofort aussteigen, wenn ein Text zu schwer verständlich ist. Deshalb neige ich dazu, in Zweifelsfällen eher einen Bindestrich zu setzen. Aus der Sicht der Übersetzerin ist das natürlich etwas ganz anderes. Natürlich wären objektive Kriterien schön, aber was nützen die, wenn sie oft einfach ignoriert werden. Da können wir uns hier die Finger wund schreiben, die hässlichen Lückenwörter werden wir nicht ausrotten können.

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