Fiktion und Realität auf dem Immenhof
Es ist und bleibt ein Mädchentraum: Auch mehr als 50 Jahre nach dem Erfolg des ersten Immenhof-Filmes hat die Geschichte um Dick und Dalli und Ethelbert und die Ponys nichts von ihrer Faszination verloren. Und fast genauso lange betteln die Fans darum, an den Originalschauplatz der beliebtesten Heimatfilm-Trilogie des deutschen Films kommen zu dürfen. Doch lange war der Immenhof alias Gut Rothensande bei Malente in der Holsteinischen Schweiz eisern verschlossen. Seit einigen Jahren haben sich die Türen einen Spalt breit geöffnet, aber ein Ponyhotel, wie es in den Filmen verwirklicht wurde, ist das Gut nie geworden. Die Geschichte einer verschlossenen Filmkulisse.
Malerisch liegt es am Ufer des Kellersees und an der Straße von Eutin nach Malente: weißes Torhaus, weiße Gebäude, weiße Zäune, davor saftige grüne Weiden, auf denen Pferde grasen. Gut Rothensande, die Inkarnation des Immenhofes. Als das Filmteam die ersten drei Immenhof-Filme drehte, gehörte das Gut Hans-Joachim Lutter. Er stellte das Anwesen 1955 und 1956 für die Dreharbeiten zur Verfügung. Damals war auch die Autorin der Romanvorlage, die heute 90-jährige Reiterin und Schriftstellerin Ursula Bruns, in Malente und in Eutin. An die Dreharbeiten und an ihre Aufenthalte erinnert sich die heute 90 Jahre alte Autorin noch gut. „Wir haben da ein kleines Filmchen gedreht. Bei allem, was daraus geworden ist, kann ich nur sagen: toll.“ Gewohnt hat Ursula Bruns bei ihren zwei Aufenthalten in Ostholstein im vor einigen Jahren abgebrannten Voßhaus in Eutin. Im Gartenhaus des Hotels. „Und vorne standen meine Pferde, das war ein Traum.“ Lange war sie in Ostholstein, denn gedreht wurde kaum im Studio, sondern meistens an den Außenschauplätzen. „Wir haben immer wieder gewartet, bis das richtige Wetter war.“ Die Filmkulisse für die Innenaufnahmen von Gut Immenhof war in der Turnhalle der Eutiner Rettbergkaserne aufgebaut worden.
Da war die Autorin auf Gut Rothensande noch willkommen. Wenig später nicht mehr. Denn Ursula Bruns, die Frau, die den Immenhof und damit das Gut Rothensande berühmt gemacht hat, wurde vom Hof geworfen. „Ich war mit Freunden da.“ Sie wollte denen den Schauplatz der Immenhof-Filme zeigen. „Aber da kam ein wütender Mensch auf mich zu. Ich bin rausgeworfen worden, richtig mit Krach.“ So wie der Autorin ging es vielen Besuchern von Gut Rothensande, alias Immenhof. Fünf Jahrzehnte lang lag das Gut abgeschottet von der Öffentlichkeit am Ufer des Kellersees. Betreten verboten! Denn 1957 hatte der Kaffee-Fabrikant Artur Nörenberg Gut und Ländereien gekauft. Von da an blieb das Gut verschlossen. Die beiden Immenhof-Filme der 1970er-Jahre wurden schon nicht mehr dort gedreht. Artur Nörenberg züchtete auf Gut Rothensande erfolgreich Trakehner, Hannoveraner und Oldenburger, hatte jedoch nie ein Interesse daran, Immenhof-Fans willkommen zu heißen. Ebenso wie nach seinem Tod 2002 Nörenbergs Witwe und die heillos zerstrittene Erbengemeinschaft.
In Wirklichkeit Wikinger
In der Ära Nörenberg bin ich als damaliger Teenager das erste Mal an Gut Rothensande vorbeigekommen. Mit großen Augen habe ich vom Rücksitz des elterlichen Autos aus auf die Hofanlage geblickt. War ich doch bereits großer Immenhof-Fan, obwohl Buch und Filme bereits vor meiner Geburt entstanden. Überhaupt, das Buch. „Dick und Dalli und die Ponys“ heißt es und ist die einzige Filmvorlage, die aus der Feder von Ursula Bruns stammt. Alle weiteren Immenhof-Geschichten schrieben Drehbuch-Autoren. Dieses Buch jedenfalls fiel mir irgendwann in den frühen 1970er-Jahren in die Hände. Wir hatten zu Hause Islandpferde, und die Geschichte von Dick und Dalli und Ethelbert begeisterte mich sofort. Anders als die Filme spielte sie im tiefsten Winter, bei Eis und Schnee, und Dick und Dalli wollten Wikinger sein und turnten jeden Morgen im Freien. Das wollte ich auch, doch schon am ersten Wintermorgen kniff ich. Viel zu kalt und dunkel draußen.
Meine Eltern hatten keinen Fernseher, und so entdeckte ich erst einige Jahre später, dass Dick und Dalli auf der Leindwand gar nicht frieren mussten. Die Wikinger waren Indianer und die Immenhof-Filme spielten bei strahlendem Sonnenschein in der Holsteinischen Schweiz, die dank der Filme einen Popularitätsschub ungeahnten Ausmaßes erhielten. Der hält bis heute an, denn noch immer strömen Immenhof-Fans nach Malente. Und nach Rothensande, alias Immenhof. Doch Jahrzehnte lang mussten sie sich am Tor die Nase platt drücken. Die Familien Nörenberg residierte lange auf dem Gut, das in seiner Geschichte oft den Besitzer wechselte.
Ein Hof mit Historie
1361 wurde Rothensande in einem Kaufbrief zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Die Wurzeln gehen bis ins Jahr 1100 zurück. Zum Gut gehörten zehn Bauernstellen, die 1775 aufgelöst wurden. 1911 kaufte der Kieler Ziegeleibesitzer Franz Blessmann das Gut. Er erbaute das später so berühmt gewordene Herrenhaus mit dem halbrunden Portikus, aber auch das Torhaus und den großen Kuhstall, das sogenannte „Melkhus“. Damit nahm das Gut seine heutige Gestalt an. Von 1911 bis 1957, als Artur Nörenberg kam, verzeichnet die Gutschronik acht Besitzerwechsel. 2009 stand schließlich wieder ein Besitzerwechsel an, das Gut sollte versteigert werden. Die Erbengemeinschaft wollte es versilbern. Doch dem Termin im Amtsgericht kam ein Landwirt aus Niedersachsen zuvor, der das Gut samt 181 Hektar bestes Ackerland und Wiesen unbesehen kaufte. Aus dem Hof wollte er ein Ponyhotel machen. Eine Idee, die einschlug wie eine Bombe. Zu einem Sommerfest auf Immenhof vor zweieinhalb Jahren kamen 40 000 Fans.
Doch die Pläne für ein Ponyhotel scheiterten, der finanzielle Aufwand war zu groß. Der Immenhof verfiel wieder in einen Dornröschenschlaf. Die Projektseite ist immer noch online. Immerhin gab es nun Führungen, bei denen auch das Herrenhaus für Besucher geöffnet wird. Dort tut sich eine Welt auf, die so ganz anders aussieht als die in den Immenhof-Filmen. Der reiche Kaffeefabrikant Artur Nörenberg hat das Innere nach den Vorstellungen der 1970er-Jahre gestaltet – edel und ein bisschen neureich.
Nun ist Gut Rothensande erneut verkauft worden. Es gibt wieder Pläne für eine touristische Nutzung. Zurzeit ist der Hof geschlossen, weil er zu einer Ferienanlage mit Wohnungen, Hotelzimmern und Reitstall umgebaut wird. Die Eröffnung soll im Jahr 2017 sein.
Die Sehnsucht nach dem Immenhof hält bis heute an. Das merkt die Tourist-Info in Malente jedes Mal, wenn die Filme wieder einmal im Fernsehen ausgestrahlt werden. Das ist auch spürbar im Immenhof-Museum, das sich über regen Zulauf freut. Und das beweisen die vielen Immenhof-Foren und Fanseiten im Internet. Ein Überblick:
Das Immenhof-Kult-Forum bietet umfangreiche Informationen über Drehorte, Schauspieler, Bücher, Filme und Aktuelles.
Sehr umfangreich ist die Seite Immenhof-Fan von Thomas Schüller.
Viele Original-Filmbilder und umfangreiches Material zeigt die Seite Immenhof-Original.
Der große Immenhof-Fan Mario Würz betreibt die Dick-und-Dalli-Seite (vorsichtig, nervige Bannerwerbung).
6 Kommentare
Frau Fröhlich
Hach, ein Post ganz nach meinem Geschmack, denn ich gehöre auch zu den Immehof-Fans. Egal wann und wo sie laufen, bei uns ist der Fernseher dann garantiert an :-)
Mein Vater ist dort aufgewachsen und konnte teilweise als Junge die Dreharbeiten verfolgen. Vielleicht rührt daher meine Liebe zu den Filmen.
Wolfgang Schultz
Susanne trifft die Situation am besten: Mein Vater Ulrich Schultz hatte den Immenhof/Rothensande als letzter Pächter von 1950 bis 57 gepachtet. Wir haben damals in den unteren Sälen und der großen Eingangshalle Erntefest gefeiert. Ansonsten war das Herrenhaus nicht bewohnt oder eingerichtet; wir spielten dort Federball oder Verstecken!
Das Torhaus und die Meierei (später der neue Pferdestall) waren mit Wildem Wein bewachsen; besonders im Herbst war das bunte Laubwerk eine wahre Pracht. Der helle Ockerton kam von einem hellen gebrannten Klinkerstein. Nörenberg hat das Wohnhaus total renoviert und die Decken deutlich abgehängt . – Der Hof benötigt eine neue innovative Geschäftsidee, denn die Gebäude/Hofanlage ist viel zu kostenaufwendig im Verhältnis zur Ertragsfläche !
Ich wünsche dem jetzigen Besitzer eine glückliche Hand!
Susanne
Lieber Wolfgang Schultz, vielen Dank für diese gute Ergänzung der Immenhof-Geschichte. Nörenberg hat nicht nur das Innere mit seinem sehr spießigen Geschmack verändert, sondern auch die Gebäude von außen weiß streichen lassen. Der neue Besitzer hat den Originalton, den hellen Ockerton wieder herstellen lassen. Die Bauarbeiten gehen flott voran, voraussichtlich in einem Jahr soll der neue Immenhof eröffnet werden.
Esta Siegemund
Der neue Eigentümer sollte möglichst das Herrenhaus zumindest halbwegs so einrichten es in Filmen aussah, denn auch mit Illusionen macht man Geschäfte. Jedes Schloss behält auch nur seinen Charakter wenn es schlossgemäss eingerichtet wird. Ein Immenhof mit nur modernem Interieur wäre ein No go und Frevel am Mythos der Immenhofsaga.
Susanne
Der neue Besitzer ist inzwischen ziemlich weit gekommen mit seinen Renovierungs- und Umbauarbeiten. In vielem sieht der Immenhof nicht mehr so aus wie in den Filmen, so ist der weiße Anstrich etwa des Torhauses wieder der Originalfarbe gewichen, einem hellen Ocker. Die Innenräume des Herrenhauses sahen nie so aus wie in den Filmen. Die Filmräume standen in der Eutiner Kaserne, die damals nicht vom Militär genutzt wurde. Insofern kann das Herrenhaus gar nicht mehr wie damals eingerichtet werden, es sah nie so aus.
Wolfgang Schultz
Liebe Susanne,
ich will mich nochmal zur Historie melden: Mein Vater hat beratend nach dem Krieg 1950 den Bauernhof der Familie Lutter in Elze/Hannover verkauft und mit dem Erlös das Gut Rothensande für die Familie Lutter gekauft und das Gut gleichzeitig gepachtet. Wir wohnten mit der Familie Lutter ( Frau Emilie L., Sohn Hans L. ,Geb 1941 !!! – 1950 also ganze 9 Jahre alt , der Vater war im Krieg gefallen ) zusammen im sog. Verwalterhaus links neben dem Herrenhaus !
Die Überlassung des Hofes als Filmkulisse geschah also Dank der Einwilligung meines Vaters Ulrich Schultz und das auch nur , weil er sich mit dem ersten Regisseur Wolfgang Schleif so gut verstand, sowie mit der Autorin Ursula Bruns.
Die Dankesadressen im „Ponny-Buch“ könnte ich zeigen, wenn ich wüßte wie man das hier einspielt. – (Übrigens : Ich hebe den „müden Willi“ im 3. Film beim Zug nach Lübeck auf das Pferd – mein „großer Auftritt“ unter einigen anderen ) Es war eine tolle Zeit !!!