Einkaufszentren: Die Kunstwelt unter Dach

Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu Shoppingmalls und Einkaufszentren. Einerseits finde ich immer wieder spannend, wie viel Mühe sich die Architekten (manchmal) und die Ausstatter geben, um Kunstwelten unter Dach zu schaffen. Welche ungewöhnlichen Dekorationen dort oft zu finden sind. Andererseits geht es mir mit Einkaufszentren wie mit Freizeitparks. Ich schätze das Originale und finde Kunstwelten einfach nur künstlich.

Einkaufszentren in Deutschland sind nichts gegen die in Frankreich. Was hierzulande oft im Provinziellen stecken bleibt, wird dort zur Kunstform erhoben. Architektur und Ausstattung sind oft außergewöhnlich. Das habe ich in einem Zentrum in Dijon erlebt. Das Centre commercial Toison d’Or hat mich fasziniert, sowohl von außen wie von innen.

Eines der architektonisch schönsten Einkaufszentren: Toison d'Or in Dijon.
Eines der architektonisch schönsten Einkaufszentren: Toison d’Or in Dijon.

Das Gebäude wird an einer Seite von einem großen, gebogenen Dach überspannt. Daran schließt sich ein strahlend weißen Baukörper an. Eingebettet ist das Zentrum in einen weitläufigen Park mit Minigolfplatzplatz, Basketballfeld und Kinderspielplätzen, angeschlossen ist es an den öffentlichen Nahverkehr. Hier können sich Familien den ganzen Tag aufhalten. Es ist eine Verbindung zwischen Kommerz und Freizeitpark.

Strahlend weiß jenseits des geschwungenen Dachs: Das langgestreckte Einkaufszentrum.

Das Zentrum selbst ist 78 000 Quadratmeter groß, beherbergt 162 Geschäfte, 19 Bars, Cafés und Restaurants und ein Grandhotel. Im Inneren laufen die langen, zweistöckigen Gänge auf die große Rotunde zu. Dort steht ein kreisrundes Wasserbecken, in dessen Mitte auf einem Podest ein Flügel steht. Wer dort spielen will, muss die Hosenbeine hochkrempeln und hin waten.

Eine Spielwiese für Designer

In den Gängen und vor und in den Geschäften haben sich die Designer ausgetobt. Lichtbänder akzentuieren den Verlauf von Gängen und Treppen. Vor einem Steak-Restaurant stehen riesige weiße Stierköpfe rechts und links der Eingangstür, und manchmal wird sogar ein ganzes Segelflugzeug ins Center geschafft. Das alles ist eine sichere und gut überwachte Welt: Überall läuft Security herum.

An den langen Gängen des Toire d’Or liegt ein Geschäft neben dem anderen.

Sogar die in Frankreich überall präsente Reklame ist im Center witzig. Nicht jede, aber viele Werbeideen haben mir gut gefallen. Etwa die eines Schuhgeschäfts.

Reklame für eion Schuhgeschäft in einem französischen Einkaufszentrum.

So faszinierend ich Einkaufszentren finde, stellen sie doch eine Kunstwelt dar. Hier wollen Menschen das haben, was sie draußen auch haben könnten. Erlebnisse wie Klaviermusik, viel zu gucken. Einzig das Shopping-Erlebnis unterscheidet die Mall vom Leben draußen. Letztlich sind Einkaufszentren nichts anderes als kommerzielle Freizeitparks. Um mal nach Deutschland zu gucken: In meiner näheren Umgebung gibt es Einkaufszentren, die die Chassis von alten Treckern als Unterbau für Tische verwenden. Alte Trecker im richtigen Leben fallen dagegen natürlich total ab (Ironie). Ebenfalls in der Nähe ist ein Freizeitpark, in dem ein Nachbau des berühmten Holstentors steht. Das echte ist nur wenige Kilometer entfernt.

Einkaufszentren als Besuchermagneten

Jedes Mal, wenn ich in einem Einkaufszentrum oder einem Freizeitpark bin, fällt mir diese Diskrepanz auf. Die Leute finden etwas toll und wollen immer wieder dorthin, obwohl sie dasselbe auch woanders finden können. Anders ausgedrückt: Echte Bäume unter dem Glasdach eines Einkaufszentrums scheinen für viele Menschen interessanter zu sein als die im Wald. Aber dort gibt es eben rechts und links keine Geschäfte. Vielleicht zieht es deshalb so viele Menschen dorthin.

Ich gehe selten in Einkaufszentren. Mit ihnen verbindet mich eine Hassliebe. Einerseits sehe ich immer wieder mit Staunen, wie viel Herzblut in Dekoration und Ausstattung gelegt wird. Andererseits finde ich das alles so schrecklich künstlich. Vielleicht bin ich im Grunde meines Herzens eben doch ein Spießer.

2 Kommentare

  1. Ich bin eigentlich kein Freund solcher Tempel. Ich habe in den USA den Verfall dieser Bauwerke immer wieder gesehen und wir machen den gleichen Fehler und stellen immer mehr dieser schön Designerklötze hin. Erinnert mich immer wieder an Zombie von 1976 (Zombies im Kaufhaus). Aber ich muss zugeben, als die Kinder klein waren, war ich gerne dort zu Gast, weil man die Kinder laufen lassen konnte und keine Angst vor Autos usw haben muss. Die Kinder sind nun groß und ich kaufe das meiste im Netz. Corona hat mein Einkaufsverhalten komplett verändert.

    1. Lieber Matthias,
      dass man in solchen Zentren die Kinder frei laufen lassen kann – es wird ihnen ja auch einiges geboten – finde ich ist eines der stärksten Argumente für solche Zentren. Mal ist es ja auch gut. Aber ich bin doch dafür, den Kindern lieber die Realität zu zeigen, auch wenn sie auf den ersten Blick langweiliger ist.
      LG Susanne

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