Abo oder einzelner Artikel: die Dauerdebatte
Ich verdiene mein Geld mit Journalismus. Gutes Geld, ich kann nicht klagen. Und dennoch ärgere ich mich über die, die sich über Bezahlschranken ärgern. Mit schöner Regelmäßigkeit ploppt die Debatte darüber auf, warum Artikel mit gesellschaftlich relevanten Themen nicht kostenlos sind. Und gleich danach kommt die Klage über das Abo, das Online-Abonnement.
So richtig klar geworden ist mir die Frechheit dieser Debatte an einem der ersten Sonntage in der Corona-Pandemie. Ich hatte meinen freien Sonntag drangegeben, um den ganzen Tag die neuesten Entwicklungen zu recherchieren und aufzuschreiben, um die Leser der Lübecker Nachrichten schnell und umfassend zu informieren. Und es ging Schlag auf Schlag. Die Situation änderte sich beinahe stündlich, und die Landesregierung gab alle paar Stunde neue Regeln heraus. Inseln wurden abgeriegelt, Kitas kurzfristig geschlossen, Schulschließungen diskutiert.
Wichtig genug fürs Lesen ohne Abo?
Mit den ersten Online-Texten waren die ersten Kommentare da. Warum hinter der Bezahlschranke? Warum nicht kostenlos bei so einem wichtigen Thema? Das ist eine Frechheit. Ihr denkt doch nur an den Profit. Die Wut kam langsam, aber unaufhaltsam. Leute, ich sitze hier am Sonntag, opfere meinen freien Tag, ackere wie verrückt, und ihr meckert darüber, dass diese Arbeit bezahlt werden soll. Wobei ich bei weitem nicht die Einzige war, die diesen Sonntag für ihre Leser opferte. Die Redaktion war gut besetzt.
Aber es ist doch Pandemie! Ja und, verschenkt der Bäcker deshalb seine Brötchen? Gibt es jetzt überall etwas umsonst? Zumal die Informationen, die wir da aufbereiteten, anderswo, etwa auf der Seite der Landesregierung, kostenlos und frei abrufbar waren und bis heute sind. Wir Journalisten bereiten sie auf, ordnen sie ein, klären offene Fragen und machen daraus lesbare Texte. Die Ursprungsinformation gibt es anderswo, teils natürlich recht bürokratisch formuliert.
Debatte um Bezahlschranke kommt immer wieder
Die Pandemie steht mittlerweile nicht mehr so sehr im Fokus. Aber die Debatte um die Bezahlschranke geht weiter. Das Thema Corona ist inzwischen abgelöst worden durch andere gesellschaftlich relevante Themen, die laut dem Wunsch der Leser unbedingt frei lesbar sein sollten und keineswegs nur mit einem Abo. Wobei jeder ein anderes Thema als wichtig genug für diese privilegierte Stellung ansieht. Was da schon alles vorgetragen wurde. Das reicht vom Tierschutz bis zum Klimawandel.
Gesellschaftlich relevante Themen sind schon immer in den Medien behandelt worden. In den Zeitungen konnten die Leute diese Artikel nur lesen, wenn sie die gedruckte Zeitung gekauft haben, entweder im Abo oder als einzelne Zeitung, etwa am Wochenende. Warum sollte das online anders sein? Ja, aber . . . höre ich schon. Und: Ich will doch nur einen einzelnen Artikel kaufen, kein Abonnement abschließen. Kann sein. Aber selbst in der gedruckten Zeitung konnte niemand nur einen einzelnen Artikel kaufen.
Einzelartikel-Modell ist gescheitert
Ich verstehe den Wunsch nach dem Kauf einzelner Artikel. Aber früher gab es auch keine einzelnen Artikel, und alle Versuche, das online einzuführen, sind gescheitert. Ich kann gut verstehen, dass jemand nicht für jede einzelne Zeitung ein Abonnement abschließen will oder kann, bloß weil ihn mal hier, mal da ein Artikel interessiert. Ja, dann verzichte eben auf diesen Artikel. Davon geht die Welt nicht unter.
Ich halte es für sinnvoll, sich ein Abonnement für die eigene Lokalzeitung zu holen, um online informiert zu sein. Und wenn es dann mehr sein soll, dann noch ein Abo für eine überregionale Zeitung. Das müsste doch reichen. Und von mir selbst weiß ich, dass ein Text, den ich wegen eines fehlenden Abonnements nicht lesen konnte, schon morgen gar nicht mehr so wichtig war. Es gilt noch immer der alte Spruch: Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern. Egal ob auf Papier oder online.
Kritiker der Bezahlschranke und des Abo-Modells sollten noch etwas bedenken: Wenn sie Journalismus nicht bezahlen, wird es bald keinen unabhängigen Journalismus mehr geben.
3 Kommentare
Horst Schulte
Ich fand das Blendle-Modell gut und bin dabei geblieben, obwohl viele Zeitungen nicht mehr mitmachen. Mein Abo des Kölner Stadt-Anzeigers haben wir nach über 40 Jahren gekündigt. Allerdings kaufen wir die Zeitung zwei bis dreimal in der Woche. Meine Frau liest sie, ich eher selten.
Über 2 Jahre hatte ich Spiegel Online abonniert, davor die NZZ. Jetzt habe ich die Abos gekündigt, weil mir die bekloppt einseitige Kritik an der Regierung auf den Zeiger ging. Ich bin komisch, wenn ich journalistische Einseitigkeit wittere oder das, was ich als einseitig Kampagne empfinde.
Wenn ich durchs Internet streife, finde ich oft interessante Artikel, die ich leider nicht zu lesen bekomme, weil sie sich hinter einer Bezahlschranke verstecken. Das sind manchmal Zeitungen, die ich nicht abonnieren würde (Cicero z.B.). Ich schaue dann in den asozialen Medien, ob die Artikel dort in Kommentaren besprochen werden. Der Erkenntnisgewinn ist zugegebenermaßen sehr mau. Es geht mir bei meinem Vorgehen um die verschiedenen Ansichten auf politische oder gesellschaftliche Ereignisse. Früher hatte man 1 oder 2 Zeitungen abonniert. Da war es mit ausgewogenen Informationen nicht weither. Die anfängliche Gratiskultur im Internet hat die Leute in dieser Hinsicht verwöhnt. Viele gewöhnen sich nur langsam an die Veränderungen. Sie sind nötig und deshalb – finde ich – unterstützenswert.
Bei Rivva schau ich immer wieder mal rein. Das ist mir 3 Euro im Monat wert. Für das Spiegel-Abo habe ich im Monat 21,99 Euro bezahlt. Das war mir irgendwann zu teuer, danach erhielt ich ein Angebot zu einem günstigeren Preis. Aber…
Ich habe mich nicht über die Bezahlschranken beklagt, weil ich wie viele andere einsehe, dass auch Journalismus nicht kostenlos sein kann. Den Vergleich mit dem Bäcker finde ich nicht wirklich treffend. Gute Information ist für eine funktionierende Gesellschaft in vielerlei Hinsicht elementar. Gut, auf die Brötchen will auch keiner verzichten. Aber du weißt vielleicht, was ich meine.
Ich finde gut, dass viele Zeitungen ihre „Pro-Artikel“ in den Übersichten und News Aggregaten kennzeichnen. So weiß ich, welche frei zugänglich sind und welche nicht.
Susanne
Danke Horst, für Deine Gedanken und Erfahrungen. Bei Deiner Kritik am Brötchenvergleich möchte ich Dir widersprechen. Ob Brötchen oder Informationen, alles, was Menschen hauptberuflich herstellen oder machen, verdient es, ordentlich bezahlt zu werden. Sonst gibt es das irgendwann nicht mehr. Und da wir in einem Informationszeitalter leben, ist niemand darauf angewiesen, sich Informationen kaufen zu müssen. Er bekommt sie nur bei der Quelle meistens nicht so gut aufbereitet wie in den Medien, und manchmal bleiben da Fragen offen.
Henning Uhle
Liebe Susanne,
nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Ich weiß schon, was du meinst. Aber der Vergleich mit dem Bäcker passt nur so halb.
Ich vergleiche Journalismus gern mit meiner Arbeit im technischen Support. Die Lösungen, die wir unseren Kunden anbieten, ausarbeiten, einpflegen oder so, die gibt es alle irgendwo. Nur: Passt Lösung X zu Problem Y? Und was sind die Auswirkungen, was muss ich beachten, wie muss ich vorgehen etc.? Also auch hier eine Einordnung.
Und natürlich will ich von meiner täglichen Arbeit mein Leben finanzieren. Und deshalb verlangt mein Arbeitgeber Geld für meine Leistung. Der Einfachheit halber gibt es bei uns Zeitverträge, vergleichbar mit Abos oder Versicherungen. Du merkst die Parallelen, obwohl es grundsätzlich unterschiedliche Branchen sind.
Ich denke auch, dass die Zahlschranke nicht funktioniert, liegt an der Glücksritter-Mentalität, die anfangs arg im Internet um sich gegriffen hatte. Da gehe ich mit dem Horst voll mit. Das ist doch das Gleiche mit unseren Blogs. Versuch mal, kostenpflichtige Artikel in deinem Blog zu haben. Das kannst du vergessen, denn „Dann hole ich mir die Infos halt woanders“.