Mit Verlaub: Die Renaissance eines alten Begriffs

Seit einiger Zeit höre ich immer wieder einen Begriff, der lange verschwunden schien: mit Verlaub. Speziell bei Talkshows und in Politikerdialogen feiert diese doch recht altmodische Formulierung in jüngster Zeit fröhliche Urständ. Das hat vielleicht nichts mit der berühmtesten Phrase dazu zu tun.

„Herr Präsident, mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch“, rief Joschka Fischer im Oktober 1984 dem amtierenden Bundestagspräsidenten Richard Stücklen (CSU) zu, als dieser einen grünen Fraktionskollegen Fischers des Plenarsaals verwiesen hatte. Seitdem ist die Formulierung „mit Verlaub“ nur noch selten zu hören gewesen.

Das hat sich seit einiger Zeit geändert. Immer häufiger ist mir aufgefallen, dass Politiker diese Formulierung verwenden. Sie ist seit dem 16. Jahrhundert gebräuchlich, leitet sich von „mit Eerlaubnis“ ab und leitet ursprünglich eine etwas freche, vielleicht gar unverschämte Bemerkung ein.

Nur eine Marotte

Diese Funktion scheint der Verlaub verloren zu haben. Ich höre ihn immer dann, wenn jemand in einer Diskussion einem anderen widerspricht. Nach „mit Verlaub“ kommt selten etwas Freches oder gar Unverschämtes, sondern meistens nur ein simpler Widerspruch. Das nährt in mir den Verdacht, dass hier eine bloße Sprachmarotte gepflegt wird.

Mir kommt allerdings noch ein Verdacht: Der Verlaub wird nach meiner Beobachtung gerne von Rechten bemüht. Außer Joschka Fischer kommt mir dazu nämlich sofort der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen in den Sinn. In einem einzigen DLF-Interview benutzt er die Phrase vier Mal. Aber auch FDP-Chef Christian Lindner pflicht gerne mal den Verlaub in seine Sätze ein.

Mit Verlaub: nie mehr Verlaub

Es wäre sehr schade, wenn die an sich schöne Formulierung vom Verlaub den Rechten und dem Politsprech insgesamt anheim fiele. Ich habe sie nicht nur bei den Rechten, aber bei ihnen doch am häufigsten gehört. Damit ist „mit Verlaub“ bei mir verbrannt. Mal ganz abgesehen, dass ich die Formulierung sowieso noch nie benutzt habe, werde ich es jetzt bestimmt nicht mehr tun.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert