Alles gegenständlich auf der Autobahn
„Achtung, Autofahrer“ schallt es regelmäßig aus dem Autoradio. Und dann kommt wieder eine dieser Verkehrsmeldungen, die wir alle kennen: „Auf der A1 zwischen Lübeck und Bad Schwartau liegen Gegenstände auf der Fahrbahn.“
Was wollen uns diese Worte sagen? Wir wissen es nicht, und deshalb kommt hier die Gardinenpredigt für die Verfasser der Verkehrsnachrichten. Liebe Leute, was soll das sein, Gegenstände? Schwammiger geht’s ja wohl nicht mehr. Ein Gegenstand, definiert die Wikipedia, ist „als solcher ein sprachlich verwendeter Begriff einer kognitiven Manifestation“. Aha. Ein paar Zeilen weiter wird das Historische Wörterbuch der Philosophie von Erich Heintel und Arno Anzenbacher zitiert mit dem schönen Satz: Der Begriff kann „alles meinen, wovon überhaupt die Rede ist“.
Ganz genau, er kann alles meinen. Übertragen auf den Autofahrer, der die Autobahn entlang jagt und mit „Gegenständen“ rechnen muss, ist die Warnung davor völlig untauglich. Ein Blatt ist ein Gegenstand, ein Seil auch, aber auch ein Sofa oder ein Segelboot. Wie ich darauf komme? Nun, jüngst warnte der Verkehrsfunk davor, dass auf der Autobahn ein Segelboot liege. Da hat wohl jemand das Wort Ladungssicherheit nicht ernst genug genommen.
Das aber heißt für den Autofahrer, dass der Hinweis auf Gegenstände völlig sinnlos ist. Nun gut, mit einem Segelboot muss er wohl nicht rechnen, die kommen doch eher singulär vor. Aber es macht schon einen Unterschied, ob das Auto über ein Seil oder über ein Kantholz, über ein Blatt oder einen Betonkübel rumpelt.
Ich denke mir übrigens, dass es verfehlt ist, dem Verkehrsfunk einen Vorwurf zu machen. Der gibt nur wieder, was ihm die Polizei meldet. Deshalb ist es an den Autobahnpolizei-Beamten, ein bisschen genauer mitzuteilen, ob die gemeldeten Gegenstände nun Blätter oder Betonkübel sind. Das kann doch nicht so schwer sein.
Mein entfernter Ur-Onkel Christian Gottlob Frege hat sich übrigens schon vor über 100 Jahren erkenntnistheoretisch und sprachphilosophisch mit dem Gegenstand auseinandergesetzt. Seine Schrift „Über Begriff und Gegenstand“ erschien 1892.