Schnöggersburg – die Geisterstadt

Ich habe gerade einer Bekannten davon erzählt, und da fiel sie mir wieder ein: Schnöggersburg, die Geisterstadt. Vor einem Jahr bin ich dort gewesen, im Rahmen einer Reportage über eine Bundeswehrübung. Schnöggersburg liegt in der Mitte des Truppenübungsplatzes Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt, nördlich von Magdeburg.

232 Quadratkilometer ist dieser Übungsplatz groß, da ist es kein Wunder, dass niemand von außen die Retortenstadt Schnöggersburg sieht. Für zufällig vorbeikommende Wanderer in der Heide ist sie außer Sichtweite, da der ganze Übungsplatz natürlich für die Öffentlichkeit unzugänglich ist. Deshalb fällt ein Besuch in Schnöggersburg in die Rubrik, was eine Journalistin zu sehen kriegt, wo andere nie hinkommen.

Im Dunst der Geschütze

Diesmal also Schnöggersburg. Zunächst habe ich die Retortenstadt aus der Ferne gesehen, von einem Hügel mit einem alten Bunker drauf. Von dort lag die Stadt im Dunst vor mir. Wobei nicht ganz klar war, ob der Dunst nicht von Mündungsfeuer herrührt. Die ganze Besonderheit dieses Ortes war noch nicht klar zu erkennen.

Schnöggersburg, die Geisterstadt
Die Einfahrt in die Retortenstadt: Sogar ein Ortsschild gibt es.

Die ergab sich erst, als wir näher herankamen. Schnöggersburg hat alles, was eine Stadt braucht: Straßen, Wohngebiete, Kaufhaus, Hotel, eine Botschaft, ein Elendsviertel, Flüsse, Brücken, sogar einen Flughafen mit Tower, der allerdings noch nicht ganz fertig war. Es gibt einen U-Bahn-Schacht und Übungskanalisation. Insgesamt umfasst Schnöggersburg 520 Gebäude. Ganz fertig sind auch die Häuser nicht. Sie haben keine Fenster, keine Dächer, keine Heizungen, bei vielen wurde auf ein Satteldach verzichtet.

Schnöggersburg, die Geisterstadt
Ein typischer Wohnblock in Schnöggersburg. Alles, was ihn wohnlich macht, fehlt völlig.

Im Bundeswehrsprech heißt die Retortenstadt „Urbaner Ballungsraum Schnöggersburg“ und ist Bestandteil des GÜZ, des Gefechtsübungszentrums der Bundeswehr. Dort finden Soldaten all das vor, was sie brauchen, um den Häuserkampf zu üben. Sogar ein Sakralgebäude gibt es, das wahlweise als Moschee oder Kirche hergerichtet werden kann. Auf Außenstehende wirkt der ganze Ort unwirklich. Das mag an der Unfertigkeit der Häuser liegen.

Schnöggersburg, die Geisterstadt
Kirche/Moschee mit Kämpfern, von sehr weit weg fotografiert.
Schnöggersburg, die Geisterstadt
Eine typische Reihenhaussiedlung in Schnöggersburg.

Erinnerung an ein verlorenes Dorf

Schnöggersburg ist aber mehr als eine Retortenstadt. Es ist auch die Erinnerung an das wahre Schnöggersburg, einen Ort, den es tatsächlich gab. Es existierte bis in die 1930er Jahre. Die Nazis siedelten die Bewohner zwangsweise um und machten den Ort mit fortlaufendem Beschuss dem Erdboden gleich, weil dort ein militärisches Übungsgelände geschaffen worden war. Mit der Retortenstadt ist der Name Schnöggersburg wieder auferstanden – sicher ganz anders, als es sich die damaligen Bewohner jemals vorgestellt haben.

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