Es war Richard Stecher: Das Geheimnis ist gelüftet

Gerade habe ich gerätselt, was eine Widmung in einer Künstlermappe wohl zu bedeuten hat. Dank Recherchen in der Familie und mit der Hilfe von freundlichen Mitarbeitern eines Stadtarchivs habe ich das Rätsel lüften können. Dabei bin ich einer frühen Liebe meiner Großmutter auf die Spur gekommen. Heute würde man sagen: Richard war ihr Lover.

Wir wissen natürlich nicht, was die beiden getrieben haben. Offenbar verbrachten sie ein paar Tage gemeinsam in Sinsheim. Denn die rätselhafte Widmung ist dank der Schwarmintelligenz von Twitter entschlüsselt worden. Da bedankt sich ein Richard bei einer Käte für schöne Tage in Sinsheim. Den Rest der Geschichte steuerten mein Vater und das Stadtmuseum und Stadtarchiv der Stadt Sinsheim bei. Von dort wurde mir außerordentlich freundlich geholfen, außerdem steuerten Museum und Archiv Fotos bei.

Die Widmung von Richard an Käte vorne in der Künstlermappe.

Zurück zu Richard und Käte. Käte war meine Großmutter, Jahrgang 1902. Später heiratete sie meinen Großvater Johannes (hier gibt es das Hochzeitsfoto) und bekam mit ihm vier Kinder. Eines davon ist mein Vater. Der weiß, wer Richard war. Der erste Freund meiner Großmutter und spätere Freund der Familie, ja sogar der Pate eines ihrer Kinder. Richard verband eine lange Freundschaft mit Käte und ihrem Mann Johannes.

Sohn eines Unternehmers

Aber wer war dieser Richard? Er war der Sohn des erfolgreichen Unternehmers Georg Stecher. Der betrieb in Sinsheim eine Gerberei. Dank des Stadtmuseums und des Stadtarchivs habe ich einiges über die Familie erfahren. Von dort heißt es: „Die Eigentümergeschichte lässt sich demnach folgendermaßen rekonstruieren: Georg Stecher (geb. 1. August 1861, gest. 14. April 1945) gab die Gerberei am 1. Januar 1939 an seinen ältesten Sohn Richard (geb. 23. September 1896, gest. 1. Juli 1956) weiter. Danach setzte dessen Sohn Georg (geb. 10. August 1923, gest. 13. August 1989) das Gewerbe fort. Einen Nachfolger scheint er jedoch nicht gefunden zu haben, da wesentliche Teile seiner Werkstatt schließlich in das Stadtmuseum gelangten.

Gerberei und Wohnhaus Stecher aus dem Album Ebert-Zimmerann, zur Verfügung gestellt vom Stadtarchiv Sinsheim.

Vom Museum erhielt ich auch die Lebenserinnerungen von Georg Stecher, die er in seinem 80. Lebensjahr 1940 verfasste. Darin berichtet er von seiner harten Ausbildungszeit, davon, dass die Arbeitszeit im Lehrbetrieb und später als Geselle von 5 Uhr morgens bis 7 Uhr abends dauerte. Er scheibt von Wanderjahren, vom Militär und davon, wie er seine Gerberei aufbaute. Und erwähnt seine Kinder, auch Richard. Georg Stecher schreibt (die Weltkriegsangaben stehen da wirklich so):

Die Ehe mit meiner Frau war eine recht glückliche. Von den sechs Kindern, die mir meine liebe Frau schenkte, starben zwei kurz nach der Geburt. Zwei Mädchen und zwei Knaben durften wir zu unserer Freude großziehen . . . Richard, mein ältester Sohn, machte den Weltkrieg von 1915-1918 als einjähriger freiwilliger Artillerist mit. Er heiratete im Jahr 1922 die Tochter meines Freundes aus Diez an der Lahn.

Georg Stecher

Richard führte die Gerberei seines Vaters weiter. Der schreibt in seinen Lebenserinnerungen:

Am 1. Januar 1939 gab ich das Geschäft meinem Sohn Richard in treue Hände, mit dem Wunsch, er möge das Alte hochhalten und daß der Aufstieg vorangeht, wie in meinem langen Geschäftsleben.

Georg Stecher

Lebenslang ein Freund

Richard Stecher muss ein feiner Mensch gewesen sein. Er half der Familie seiner ehemaligen Angebeteten und späteren Freundin Käte und ihrem Mann in der schweren Zeit nach dem Krieg. Er lieferte ihr Schuhsohlen, Schuhleder. Denn, so berichtet es mein Vater, Schuhe wurden nur besohlt oder repariert, wenn der Kunde das Leder mitbrachte.

„Junior bei der Arbei“ ist das Bild unterschrieben. Ob das Richard ist? Ich weiß es nicht. Foto: Stadtarchiv Sinsheim

Ob es noch Stechers gibt, wusste das Stadtarchiv Sinsheim nicht. Ich freue mich jedenfalls, ein weiteres Stück Familiengeschichte aufgedeckt zu haben. Ich liebe Geschichte und Geschichten, nicht nur, aber auch von der Familie. Jetzt weiß ich, warum Richard Käte die Künstlermappe schenkte und seine Widmung hineinschrieb.

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