Ein Mann sitzt im Kurpark in einem Rollstuhl.
erlebt,  Pyrocontra

Rollstuhl schieben – eine neue Erfahrung

Einen Rollstuhl zu bewegen, kann ganz schön anstrengend sein. Meine erste Erfahrung mit Barrierefreiheit und ihren Hürden.

Ich habe meinen 91-jährigen Vater besucht. Er ist nicht mehr gut zu Fuß, ganz und gar nicht. Und weil er kaum noch rauskommt, habe ich ihn zum ersten Mal im Rollstuhl geschoben. Er hat sich darein gefügt und fand es entgegen seines vorherigen Protests gar nicht so schlecht. Aber ich habe völlig überschätzt, wie anstrengend es ist, einen 100 Kilogramm schweren Mann durch die Gegend zu schieben. Zumal diese Gegend recht hügelig ist und es auf dem Weg einige Gefälle und auf dem Rückweg Steigungen gab.

Immerhin: Mittlerweile sind fast alle Wege barrierefrei. Wo es Treppen gibt, gibt es auch Rampen. Zunächst haben wir aber einen ebenen Weg genommen, der auf einer ehemaligen Bahntrasse entlang führt und heute für Spaziergänger und Radfahrer mit einer Asphaltdecke versehen wurde. Nun sollte man denken, das wäre für einen Rollstuhl kein Problem. Falsch gedacht. Zum einen ist der Weg durch nach oben drückende Wurzeln ziemlich uneben. Zum anderen steigt offenbar selbst eine ehemalige Bahntrasse langsam, aber stetig an. Jedenfalls habe ich schnell ziemlich gekeucht.

Rampen sind für den Rollstuhl mitunter schwierig

Die Herausforderung kam mit der ersten Rampe. Zum Glück hatte ich vor der Abfahrt die Bremsen des Rollstuhls überprüft. Dennoch hatte ich ordentlich Respekt vor dem Gefälle. Zum Glück bin ich zwar sehr langsam, aber heil hinuntergekommen. Immer im Hinterkopf, dass ich da später wieder hinauf muss. Dann ging’s erstmal ebenerdig durch den Kurpark und zum Brunnenhäuschen. Sowohl die gepflasterten als auch die sogenannten wassergebundenen Wege ließen sich mit dem Rollstuhl gut fahren.

Dann der Rückweg. Nur ein kurzes Stück Steigung, aber das hatte es in sich. Ich habe kurz geglaubt, ich schaffe es nicht, den Rollstuhl dort hinaufzuschieben. Ich habe es gerade so hingekriegt, das nächste ebene Stück zu erreichen. Nun bin ich einigermaßen fit. Aber ich kann mir schwer vorstellen, dass eine alte Frau ihren schweren Mann im Rollstuhl dort hinaufschiebt. Ich wäre gerne noch weiter gefahren, aber die Rampen, die die Treppen an der nächsten Steigung begleiten, waren mir doch zu lang und zu steil. Das kleine Stück Steigung hatte mich schon fast geschafft.

Das richtige Gelände wählen

Barrierefreiheit ist also mehr, als nur stufenlose Wege zu schaffen. Wenn die Person im Rollstuhl aufgrund von Alter oder Behinderung nicht mithelfen kann, das Gefährt zu bewegen, wird es schwer in bergigen Gegenden. Diese passive Nutzung, so der Fachausdruck, erfordert umso mehr Geschick und Kraft bei dem, der schiebt. Experten empfehlen ein Rollstuhltraining. Und – das war auch mein Gedanke – die richtige Geländewahl. Die habe ich ja schonmal getroffen. Sollte ich meinen Vater öfter schieben müssen, würde ich noch über eine Schiebehilfe nachdenken. Aber das wird wohl kaum der Fall sein.

Seit unserem Rollstuhl-Ausflug sehe ich jedenfalls Maßnahmen zur Barrierefreiheit mit anderen Augen. Ich achte mehr darauf, wo sie sind und wie sie sind. Und frage mich, ob die, die die Rampen bauen, selbst mal jemanden mit einem Rollstuhl hinauf geschoben haben. Wahrscheinlich nicht, so steil wie einige sind.

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

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