Februar-Blues: Unterwegs in der Provinz

Straße, die durch Lamspringe führt.

Jenseits der Großstädte, im oft beschworenen ländlichen Raum, ist die Welt eine andere. Eine, die mitunter so tot ist, wie man es sich in Berlin, München oder sogar in Kiel oder Erfurt gar nicht vorstellen kann. Ein Spaziergang durch einen Flecken in der deutschen Provinz.

Es hat mich dieser Tage nach Lamspringe verschlagen. Ein sogenannter Flecken in Niedersachsen, laut der Wikipedia also eine nicht sehr große, aber lokal bedeutende Ansiedlung, auch Minderstadt genannt. Lamspringe ist mit 5600 Einwohnern nicht gerade klein, aber auch nicht sonderlich groß. Der Ort heißt übrigens so, weil dort die Lamme entspringt. Neben den vielen Fachwerkhäusern, die an der langgestreckten Hauptstraße liegen, zeichnet sich der Flecken vor allem durch seine riesige Klosterkirche und den dazugehörigen Klostergarten aus. Genauso bombastisch wie die Klosterkirche ist ihr Name: St. Hadrian und Dionysius.

Nun ist der Februar nicht gerade ein Monat, in dem sich ein Ort in der Provinz von der besten Seite zeigen kann. Die Klosterkirche war verschlossen, der Garten kahl, gerade mal ein paar Schneeglöckchen blühten. Und es war kalt, ziemlich kalt. Beste Voraussetzungen für einen Februar-Blues. Zumal der Flecken beinahe menschenleer da lag und auch sonst alles anders war, als es viele von uns kennen.

Kirchengiebel
Weil die Klosterkirche geschlossen war, blieb nur der Blick auf die vielen Türmchen auf dem Dach.

Es gibt keine Parkgebühren in Lamspringe. Es gibt Parkplätze satt, niemand muss lange danach suchen. Es gibt, wie in vielen Orten, zwar Geschäfte, aber viele von ihnen sind geschlossen. Die Schaufenster leer. Findet hier ein wirtschaftliches Leben statt? Schwer vorstellbar. Kaum ein Mensch ist auf der Straße unterwegs. Die wenigen Autos scheinen nur durchzufahren. Fast niemand hält an.

Ein Ort ohne ein einziges offenes Restaurant

Wir wollten anhalten. Wir wollten irgendwo zu Mittag essen. Aber im ganzen Ort war nicht ein einziges offenes Restaurant zu finden. Nicht mal ein Grieche oder ein Asia-Restaurant. Nichts. Die Gaststätten, die wir ansteuerten, hatten entweder nur am Wochenende geöffnet oder nur abends oder beides. Oder im Februar gar nicht, weil sie Betriebsferien hatten. Oder sie waren offensichtlich schon seit Jahren zu. Statt einer Speisekarte hing im Aushangkasten eines Hotel-Restaurants der Hinweis, es gebe Parkplätze zu vermieten.

Wie kann es sein, dass es in einem Ort von mehr als 5000 Einwohnern und einer Reihe von Dörfern ringsherum keine Möglichkeit gibt, außer Haus etwas zu essen. Lediglich eine Pizza-Döner-Bude hatte offen, die aber nur Außer-Haus-Verkauf anbietet. Abholung oder Lieferung, sonst nichts. Wir wollten aber nicht im Auto essen. So weit kommt es noch.

Geht so Tourismus in der Provinz?

Wikipedia schreibt, der Tourismus habe heute eine große Bedeutung in Lamspringe. Wirklich? Immerhin gibt es einen Pilgerweg durch den Klostergarten. Sind Pilger nicht sowieso genügsam? Wir können nur jedem raten, ein paar Butterbrote und eine Wasserflasche einzupacken. Wie kann ein angeblich touristischer Ort so wenig Infrastruktur bieten? Immerhin machen sich die Leute dort Gedanken darüber, wie sie ihre Mülltonne ordentlich verstecken und mit Kette und Schloss sichern. Das gibt es immerhin auch jenseits der Provinz.

Straßenszene aus Lamspringe: Wenn die Mülltonne ein ordentliches Häuschen hat.
Straßenszene aus Lamspringe: Wenn die Mülltonne ein ordentliches Häuschen hat.

Ich weiß nicht, wie viele Orte es da draußen noch gibt, die so sind wie Lamspringe. Wahrscheinlich viele. Sehr viele. Jenseits dessen, was sich viele vorstellen, von ihrem eigenen Leben kennen oder in den Medien wahrnehmen, scheint es noch eine Welt zu geben, die ganz anders ist. Spießig, langweilig, voller Februar-Blues. Provinz eben. Genauso wie meine Heimatstadt, die wie so viele vor sich hinstirbt. Es sind Orte, die jungen Leuten nichts bieten können. Keine Jobs, keine Lebensqualität. Was soll aus ihnen werden?

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