Caspar David Friedrich in Hamburg: Rückenansicht mit Rückenansicht
Ich habe es noch auf den letzten Drücker geschafft, mir die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in der Kunsthalle in Hamburg anzusehen. Ein Erlebnis. In vielerlei Hinsicht.
Angepriesen als eines der Kunstereignisse des Jahres – nun ja, der Jahre 2023/2024 – hat die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle die Massen angezogen. Ich habe vor einigen Wochen eines der letzten Online-Tickets für die Schau ergattert, nur Stunden später war sie ausverkauft. Heute war ich dort, am vorletzten Tag der Ausstellung. Sie hat mir gut gefallen. Die Begleitumstände allerdings nicht so sehr.
Zunächst zu Ausstellung selbst. „Caspar David Friedrich – Kunst für eine neue Zeit“, so der Titel, ist in drei Abschnitte aufgeteilt. Der erste widmet sich dem Künstler selbst und seinen Werken. Gezeigt werden 60 Gemälde und rund 100 Zeichnungen. Der Rundgang beginnt mit Porträts, die den Künstler zeigen, Selbstporträts und solche von anderen Malern. Ein Porträt, gemalt 1808 von Gerhard von Kügelgen, ist besonders beeindruckend. Darauf blickt der Künstler den Betrachter direkt an. Die Augen sind beinahe stechend, der Backenbart flaumig, die Stirnhaare sind nach vorn über eine beginnende Glatze gekämmt.
Caspar David Friedrich im Klein- und Großformat
Danach ist die Ausstellung chronologisch aufgebaut. Sie beginnt mit Skizzen und Studien des jungen Caspar David Friedrich. Sie sind der Grundstein für seine spätere Kunst. Es sind kleinformatige Werke von großer Fertigkeit. Sie führen den Besucher hin zu den späteren Ölgemälden, erst in kleinerem Format, dann in immer größerem. Bis zu den weltweit bekannten Werken, etwa dem „Eismeer“ von 1823/24, dem „Mönch am Meer“, entstanden von 1808 bis 1810, oder dem „Wanderer über dem Nebelmeer“ (um 1817). Die begleitenden Texte an der Wand der jeweiligen Räume sind kurz, aber ausführlich genug, um in die gezeigten Werke einzuführen und den Blick auf Details zu schärfen.
Die Bilder sind allesamt auf einem grau-grünen Hintergrund platziert, was sie leuchten lässt. Die Kritik von Anke Gröner bezüglich zu wenig Platz zum Atmen (für die Bilder und für die Besucher) kann ich nicht recht nachvollziehen, aber ich bin ja auch keine promovierte Kunsthistorikerin. Viel mehr als die Art, wie die Ausstellung gehängt ist, haben mich die anderen Besucher genervt. Immer, wenn ich ein Bild aus einigem Abstand ansehen wollte – was bei Großformaten stets angeraten ist – drängelte sich irgendjemand direkt davor. Und so ist die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung eine mit Rückenansicht vor Rückenansicht. Die berühmten Rückenansichten der Menschen auf den Bildern wurden fast immer ergänzt, genauer verdeckt, von Rückenansichten der Besucher.
Zugegeben, ich habe auch ein paar Handyfotos gemacht, für diesen Beitrag, aber auch als eine Art Notizbuch für mich. Ich habe das Handy aber nur selten gezückt, denn das Handyfotografieren hat mich wieder mal sehr genervt, wie schon in der Galerie Alter Meister in Dresden. Vor allem, wenn die Leute statt zu sehen nur wie irre die Bilder abknipsen. Und dafür gerne auch mal etwas näher rangehen.
Benimmregeln für den Museumsbesuch
Natürlich sind Ausstellungen wie die über Caspar David Friedrich Anziehungspunkte, die die Massen anlocken. Wer sie sich ansieht, muss damit rechnen, dass es voll ist. Aber ein bisschen Ausstellungsknigge wäre schon schön. Es gibt zwar Benimmregeln für Museumsbesuche, aber die stammen allesamt aus einer Zeit, als es noch keine Handys gab. Zum Thema Rückenansichten hatte H. Schramm schon 1902 einen wichtigen Rat: „Niemals lasse man sich die Unart zuschulden kommen, vor einem besonders sehenswerten Gegenstande in endloser Betrachtung zu verweilen, anderen die Aussicht versperrend.“
Teil 2 und 3 der Ausstellung widmen sich nicht Caspar David Friedrich, sondern anderen Künstlern, die seine Arbeiten adaptiert oder weiterentwickelt haben. Denen ist Teil 2 gewidmet, und ich habe dort tolle Entdeckungen gemacht. Ich habe Künstler unserer Zeit entdeckt, die ich noch nicht kannte. Etwa den Fotografen Andreas Mühe (*1979), dessen fantastische Bilder mir sehr gefallen haben. Sie zeigen ihn nackt in Rückenansicht in Szenen wie denen von Friedrich. Oder die Malerin Nina K. Jurk (*1970), die in altmeisterlicher Malerei Himmel und Natur abbildet, ohne Motive, nur mit Farbverläufen.
Der dritte Teil der Ausstellung zeigt zwei großformatige Adaptionen, den „Kreidefelsen“ und den „Wanderer“ des afroamerikanischen Malers Kehinde Wiley (*1977). Diese Bilder werden im Markat-Saal inmitten von 60 Gemälden und Skulpturen des 19. Jahrhunderts gezeigt. Darunter das 50 Quadratmeter große Hauptwerk „Der Einzug Karl V. in Antwerpen“ von Hans Markart (1840-1884).
Damit bricht die Hamburger Kunsthalle nicht nur die weiße Welt der Kunst des 19. Jahrhunderts auf, sondern lockt die Besucher der Caspar-David-Friedrich-Ausstellung auch in Räume, die sie sonst nicht aufgesucht hätten. Ich war jedenfalls ganz fasziniert in diesen Einblick in die Dauerausstellung und werde auf jeden Fall wieder kommen. Ziel erreicht.
Noch ein Wort zum Eintrittspreis: Für 16 Euro (Erwachsene) bietet die Kunsthalle mit der Sonderausstellung über Caspar David Friedrich ein hochklassiges Ausstellungserlebnis zum kleinen Preis. Was natürlich nur durch eine umfassende Förderung durch Sponsoren und die öffentliche Hand möglich ist.
Weitere Ausstellungen mit Friedrich-Werken
Die Werke von Caspar David Friedrich wandern weiter zur Ausstellung „Unendliche Landschaften“, die vom 19. April bis 4. August 2024 in der Alten Nationalgalerie in Berlin zu sehen ist. Weiter geht es mit der Schau „Wo alles begann“ vom 24. August bis 17. November im Albertinum in Dresden.