"Die Fremden" von Thomas Schütte
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Kunst auf dem Bau: Die Fremden

Ich bin ein großer Fan von Kunst am Bau. Die Pflicht öffentlicher Bauherren, einen gewissen Teil der Bausumme – in der Regel ein Prozent  – für Kunst auszugeben, ist in meinen Augen eine Art Künstler-Arbeitslosenversicherung. Sie verschafft Künstlern, vor allem denen, die große Werke schaffen, eine Gelegenheit, diese auch zu verkaufen. Andererseits schafft die Kunst am Bau Kunst einen öffentlichen Raum und bereichert unsere Städte mit Kultur. Meine Lieblings-Kunst-am-Bau steht in Lübeck

Dort hat der bekannte Architekt Meinhard von Gerkan die sogenannte MuK, die Musik- und Kongresshalle Lübeck, erbaut. 1994 wurde sie fertiggestellt. Ein weißer Kasten mit einer Art großem halbrundem Wintergarten an einer Seite. Viel Architektur, wenig Farbe. Wären da nicht „Die Fremden“ von Thomas Schütte. Eigentlich keine echte Kunst am Bau, weil die Possehl-Stiftung das Werk der Stadt Lübeck geschenkt hat.

"Die Fremden" von Thomas Schütte - Detail
„Die Fremden“ von Thomas Schütte – Detail

Männer und Frauen eindeutig fremder Herkunft stehen auf einer Kante der MuK in großer Höhe. Neben ihnen stehen Säcke, Kisten und Krüge. Die Figurengruppe setzt allen den Menschen ein Denkmal, die aus ihrer Heimat geflohen sind, um Hunger, Armut, Verfolgung und Krieg zu entgehen. „Die Fremden“ entstanden auf dem Höhepunkt der Asyldebatte in Deutschland, die schließlich in den Asylrechtskompromiss der frühen 1990er-Jahre mündete. „Die Fremden“ wurden zunächst auf der Dokumenta IX 1992 in Kassel gezeigt, bevor sie in Lübeck, auf dem Dach der Musik- und Kongresshalle, lebenslanges Asyl erhielten. Ein farbenfrohes Gegengewicht zur weißen MuK und eine dauerhafte Mahnung an die unselige Asylrechtsdebatte.

Deshalb sind „Die Fremden“ meine Lieblings-Kunst-am-Bau. Aber auch wegen ihrer Schönheit, die leider etwas darunter leidet, das die Gruppe so hoch oben steht und nur von unten zu sehen ist. Anstatt alle Details betrachten zu können, guckt man der Schönen im roten Kleid unter den Rock. Kunst auf dem Bau statt Kunst am Bau.

 

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

Ein Kommentar

  • Monika (rundumkultur)

    Guten Morgen,

    ja Kunst am Bau wird zu oft vernachlässigt, zumal in Großstädten. Da steht ein Häuserklotz an dem anderen. Somit entgeht vielen die Kultur in den kleinen Straßen und Gässen der Großstadt, die meist von der Altstadt noch geprägt sind. Doch der Trend wird, denke ich, schon in die andere Richtung laufen, da Kunst am Bau die Städte verschönert.

    Das einzige Problem, das ich dabei sehe, ist, dass es mehr Raum für Vandale gibt. Sonst sind die Verschönerungen an den Gebäuden immer schön anzusehen. Danke für den Impuls. Somit geht man wieder mit offenerem Blick darauf durch die Straßen. Selbst in Großstädten erblickt man die entlegenen Kunstwerke.

    Viele Grüße
    Monika

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