Monochromie versus Kitsch: Die Fotografie hat viele Landschaften
Am Anfang steht eine gewagte Behauptung: „Die Landschaftsfotografie ist derzeit ein stinkender Haufen kitschiger Müll sich nie verändernder überdramatischer, pittoresker Reproduktionen“, schreibt Martin Gommel, Herausgeber des Fotografie-Magazins kwerfeldein.de in einem mit dem nichtssagenden Titel „Positionen zur Landschaftsfotografie“ überschriebenen Artikel. Ein Text, der schnell Widerspruch hervorrief. „Sorry, aber geht’s noch?“ kontert Ronny auf dem Fotografieblog Blogtimes. Und damit sind die Positionen gesetzt. Trotzdem habe auch ich mir ein paar Gedanken zum Thema gemacht.
Definieren wir doch zunächst, was alles unter Fotografie fallen kann. Da ist die Berufsfotografie. Da geht es nicht um Kitsch oder Kunst, sondern darum, was der Auftraggeber möchte. Oder um es anders auszudrücken: Profifotografen sind Lohnfotografen, ob sie nun im Kundenauftrag oder im Auftrag einer Zeitung – so wie ich – Bilder machen. Das gilt auch für professionelle Landschaftsfotografen, die etwa für Kalender fotografieren. Letztlich müssen sie sich ebenfalls dem Massengeschmack, dem gescholtenen Mainstream, beugen. Die in den Kommentaren zu Martins Artikel beschworenen Fotos des Genres „blasses Mädchen halbnackt im Wald, angereichert mit Moos und Blättern, mit einem 85 1.4 fotografiert und noch durch vsco gejagt“ werden es kaum auf Kalenderblätter schaffen.
Die Debatte, um die es hier geht, ist eine der ambitionierten Hobbyfotografen, also jener, die nach eigenem Gusto fotografieren. Und wenn sie richtig gut sind, wird es Kunst. Da dies ein seltener Fall ist, verlege ich mich lieber auf die von Martin angeführten 500px- und Flickr-Landschaftsbilder. Sind sie Kitsch? Knackscharf und bonbonbunt, wie sie nun mal sind? Muss man diese Fotos komplett ablehnen? Nein, muss man nicht. Ich habe meine Freude daran, auch wenn ich bei mir selbst manchmal eine gewisse Übersättigung feststelle. Immer nur Bonbons essen, macht halt Bauchweh. Aber ab und zu mal etwas Süßes? Gerne? Ich bin eine Foto-Naschkatze.
Was mich so stört, ist die Absolutheit, mit der Fotografie-Richtungen vertreten werden. Ich habe es ein, zwei Mal gewagt, Fotos einzureichen zu Aufrufen wie „zeigt euer schönstes Sommerfoto“ oder „dein bestes Herbstfoto“. Ich habe es aufgegeben. Weil ich keine Schwarzweiß-Fotos mache. Das musste ich so lange gezwungenermaßen, dass Schwarzweiß für mich nicht mehr in Frage kommt. Aber ohne Schwarzweiß sind in gewissen Fotokreisen keine Meriten mehr zu gewinnen. Möglichst düster, am besten ein bisschen unscharf und verschwommen sollten Fotos sein, die dort gemocht und herausgestellt werden. Depressive Bilder, die traurig machen. Beispiel gefällig? Hier entlang bitte (es geht mal wieder zu kwerfeldein.de)
Jeder meint, den heiligen Gral der Fotografie, die einzig richtige Bildsprache gefunden zu haben. Genau diese Haltung spricht auch aus dem Artikel von Martin, der Liebhaber und Fotografen von sogenannten Kitsch-Landschaftsbildern herunterputzt, wie sie es nicht verdient haben. Die Arroganz, die andere Leser darin sehen, sehe ich auch. Lasst doch jedem seine Foto-Vorlieben. Wen stört es, wenn jemand diesen oder jenen Stil bevorzugt. Wie in vielen anderen Fragen plädiere ich auch hier für mehr Gelassenheit. Über Geschmack lässt sich nun mal wirklich nicht streiten.
Ach ja: Bei vielen Fotos, die auf kwerfeldein.de und anderen anspruchsvollen Fotoseiten angepriesen werden, frage ich mich, was das soll und warum das so toll ist. Aber das frage ich mich still und leise für mich. Man kann es auch laut, etwa in einem Kommentar tun. Was aber nicht geht: Anderer Leute Bilder in Bausch und Bogen als stinkenden Haufen kitschigen Mülls diffamieren.