Eine Pressekonferenz, die keine ist

Ich nehme vieles klaglos hin. Das ist so, wenn man sich Jahrzehnte lang als Lokal- oder Regionalreporterin durch die Vereins- und Verbandsszene arbeitet. Aber manchmal schüttele ich innerlich so heftig mit dem Kopf, dass ich aufpassen muss, dass man es von außen nicht sieht. Heute war wieder so ein Tag. Anlass: eine Pressekonferenz, bei der alles falsch gemacht wurde, was man nur falsch machen kann.

Vorweg: Es sind Profis am Werk. Ein junger smarter Mann mit dem schönen Titel „Pressesprecher/Medienreferent“, ein Hauptamtlicher eines großen Verbandes mit 150 000 Mitgliedern. Auf eine Einladung zur Pressekonferenz hin treffen wir uns in einem Lokal, fünf Journalisten und acht Verbandsvertreter, um uns gemeinsam eine Kanne Kaffee zu teilen und dabei etwas zu erfahren über eine große Veranstaltung, die es anzukündigen gilt. Zum Kaffee wird ein säuberlich ausgearbeiteter Pressetext gereicht, gespickt mit Informationen. Nur nicht mit den richtigen, wie sich bald herausstellte.

Aber erst einmal beginnt der smarte Pressesprecher mit seiner Begrüßungs- und sonstigen Rede. „Wir“, sagt er, „wir wollen Ihnen die Veranstaltung XY vorstellen, und ich beginne mal mit Peter P., dem Bürgermeister der Gemeinde H. . . “ Unterbrechung von Peter P.: „Werner P. bitte.“ „Ah ja, also Herr Werner P.“ Erneute Unterbrechung: Die Bitte einer Kollegin, vielleicht erst einmal die Herren und Damen vom Verband vorzustellen. Wer sind die da, die uns gegenüber sitzen? Klar, beim Hereinkommen haben sie sich kurz vorgestellt, die übliche gemurmelte Vorstellung beim Händeschütteln zur Begrüßung. Aber das soll sich mal einer merken bei acht Leuten, und buchstabiert haben sie ihre Namen auch nicht. Aber sie wollen nachher richtig geschrieben in der Zeitung stehen.

Der Pressesprecher übernimmt also die Vorstellung. Dann fährt er fort mit seiner Rede. Erneuter Einspruch. Erneuter Einwand von der Journalistenseite: „Und wer sind Sie bitte?“ Tja, sich selbst hat er nicht vorgestellt. Das holt er nun nach.

Also weiter im Text. Der junge Herr präsentiert eine Podiumsdiskussion. Er spricht ein bis drei Sätze zu einem Aspekt der Veranstaltung, dann stellt er einem der Herren und Damen des Verbandes eine Frage und der antwortet brav.

Je weiter dieses Spiel fortschreitet, desto größer meine Verärgerung. Hier hat jemand das Wesen einer Pressekonferenz nicht verstanden. Sollten nicht wir Journalisten fragen? Irgendwann bricht der Damm. Wir reißen die Gesprächsführung an uns. Stellen unsere Fragen. Ganz viele. Was der sicherste Indikator dafür ist, dass die entscheidenden Informationen nicht dargelegt wurden. Dabei stellte sich heraus, dass die Herren und Damen nicht gut genug vorbereitet sind. Manche Frage können sie nicht beantworten, müssen die Antwort per Mail nachreichen. Zahlen etwa.

Dass ein vom Verband angebotenes Foto zum Thema – per Mail versendet – nicht die nötigen Informationen für den Bildtext enthält, verwundert an dieser Stelle wohl niemanden mehr.

Zugegeben, ein solcher Auftritt ist nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme. Beim Häkelbüddel-Club aus Hintertupfingen würde ich das alles auch noch durchgehen lassen. Aber bei einem Profi?

Ich habe natürlich nichts gesagt. Ich habe mir klaglos die wichtigen Informationen zusammengeklaubt, habe die überflüssigen Infos über mich hinwegfluten lassen und mir hinterher beim Plausch mit einer Kollegin den Frust von der Seele geredet. Wir waren uns übrigens einig, sie fand das Ganze genau so grauenhaft wie ich.

Die Kollegin veranstaltet mitunter selbst Pressekonferenzen. Sie erzählte, bei ihrer ersten habe es keine Fragen der Journalisten gegeben. Und sie habe sich gefragt, was sie falsch gemacht habe. Ihre Erkenntnis: „Gar nichts.“ Stellt der Journalist keine Fragen, heißt es nämlich nicht, dass ihm keine einfallen. Sondern dass der Pressesprecher seinen Job gut macht.

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