Schriller Anzug und feine Kleider: Das Abenteuer Abiball

Wir müssen über Kleider reden. Und über Abibälle. Ich bin keine Mode- oder Beautybloggerin, vielleicht sehe ich das alles deshalb mit anderen, mit staunenden Augen. Ich musste mich auf dieses Parkett wagen, weil das Kind mit der Schule durch ist und der Abiball ins Haus stand. Das ist erstens anstrengend und zweitens teuer.

Hochzeiten? Vergesst Hochzeiten. Wer wirklich Aufwand treiben möchte, der gehe mit seinem Kind auf einen Abiball. Vor allem wenn es eine Tochter ist. Monatelang vorher wird geplant und überlegt. Wichtigste Frage: Was für ein Kleid soll es sein und wo wollen wir das kaufen? Was die Sache erschwert ist die Tatsache, dass es natürlich eine Abiball-Whatsapp-Gruppe gibt, in der alle Kleider gepostet werden müssen, damit bloß nicht zwei Mädchen das gleiche Kleid haben.

Das Kleid

Der Ballkleid-Dealer unserer Wahl war das in ganz Norddeutschland bekannte Geschäft Festkleidung Laue. Dessen Hauptgeschäft liegt beileibe nicht in Hamburg, Kiel oder Lübeck, sondern auf dem Land mitten zwischen unseren Meeren, irgendwo kurz vor der Heide, genauer in Tellingstedt. Ein Dorf, das die höchste Pro-Kopf-Anzahl an Ball- und Brautkleidern in ganz Deutschland haben dürfte. Laut Firmenhomepage hängen dort allein 7000 Abendkleider.

Kleider für den Abiball in Reih und Glied: Die Farben sind unterschiedlich, Schnitt und Art gleichen sich.
Kleider in Reih und Glied: Die Farben sind unterschiedlich, Schnitt und Art gleichen sich.

Das seit 40 Jahren existierende Geschäft ist gigantisch. Der Ansturm auch. Man muss früh da sein, um noch einen der regulären Parkplätze zu bekommen, von denen es nicht gerade wenige gibt. Wer zu spät kommt, muss sich in Seitenstraßen an den Knick quetschen. Im Inneren des weitläufigen Geschäftes gibt es für jede Kleidergröße ein eigenes Zimmer, ach was, einen eigenen, plüschig eingerichteten Saal, in dem die Kleider nach Farben sortiert hängen. Jeder Kundin wird eine Verkäuferin zugeordnet, die berät, Kleider bringt und wegbringt, Rücken-Reißverschlüsse rauf- und runterzieht und beratend zur Seite steht. Wir haben uns gut betreut gefühlt.

Irgendwann war das richtige Kleid gefunden. Das natürlich sofort in der Whattsapp-Gruppe gepostet werden musste.

Zum Kleid gehören noch die passenden Schuhe, die passende Unterwäsche, die passende Handtasche. Damit ist eine Abiturientin neben Matheklausur und mündlicher Geografie-Prüfung noch gut beschäftigt. Muttern brauchte natürlich auch noch ein Kleid. Aber da mein Abi schon 40 Jahre zurückliegt, durfte es alles eine Nummer schlichter sein. Ich wollte dem schönen Kind ja nicht den Rang ablaufen. Das übrigens saß am Nachmittag vor dem Abiball noch zwei Stunden bei einer Friseurin, um sich eine hochkomplizierte Aufsteckfrisur machen zu lassen, einschließlich Make up.

Dienstleistung Abiball

Also los zum Abiball. Alles organisiert von einem Abiball-Manager. 50 Euro pro Person für Büffet, Musik und Getränke-Flatrate bis 22.30 Uhr (wurde dann im Laufe des Abends auf 22 Uhr verkürzt, ich kam mir etwas geneppt vor). Das alles in einer der ungewöhnlichsten Locations von Lübeck, der Gollan-Kulturwerft. Allein dafür lohnte sich der Ball-Besuch schon.

Was war das für eine schnatternde, aufgeregte Menge an aufgebrezelten jungen Frauen und etwas linkisch in ihren Anzügen herumstehenden jungen Männern, die vor dem Gebäude auf Einlass wartete. Dazu stolze Mütter in kurzen, aber feinen Kleidern und Väter, denen eine gewisse Unlust und ein Enge am Hals deutlich anzumerken war. Ohne strenge Security geht’s natürlich auch nicht, Taschenkontrolle und raus durfte nur, wer bequeme Ersatzschuhe aus dem Auto holen musste.

Und manchmal findet sich auf einer solchen Veranstaltung ganz plötzlich etwas, das richtig Spaß macht. Zum Beispiel der junge Mann in diesem wunderbar abgedrehten, großkarierten Anzug mit knallbunten Karos auf himmelblauem Grund – auf Jacke und Hose. Ich habe ihn gefragt, wo er den her hat. Von diesem Online-Laden. Guckt mal, was für tolle Teile es da gibt. Für mich die Entdeckung des Abends. Einfach irre.

Mein optisches Highlight beim Abiball: der karierte Anzug.
Mein optisches Highlight beim Abiball: der karierte Anzug.

Nach dem Essen folgte der Einzug der Abiturienten, da wurde mir doch etwas warm ums Herz. Zwölf Jahre Schule mit reichlich Irrungen und Wirrungen, Stress, Ängsten und Ärger. Alles vorbei. Dann der Eröffnungstanz der Jahrgangsbesten mit dem Schulleiter und der Vertrauenslehrerin. Anschließend durften alle auf die Tanzfläche. Den Abiturienten war die Freude deutlich anzusehen. Sie hatten viel Spaß. Und erlitten einigen Schmerz. Wer aufmerksam hinschaute, der sah im Laufe des Abends immer mehr Turnschuhe oder Sneakers unter Abendkleidsäumen aufblitzen. Neue Schuhe können doch schnell zu Folterinstrumenten werden.

Es war ein rauschendes Fest. Ich habe mich nur gefragt, was diese jungen Leute machen wollen, wenn ihre Hochzeit ins Haus steht. Der Abiball-Aufwand, zumindest was Kleid, Frisur und Make up angeht, ist kaum noch zu überbieten. In einem herrlichen Artikel in „Die Zeit“ mit dem schönen Titel „Abiballaballa“ werden die Schulabgänger passend als „kleine Bräute und Bräutigame des deutschen Bildungssystems“ bezeichnet.

An meinen eigenen Abiball kann ich mich komischerweise überhaupt nicht erinnern. Meine Mutter schwört, dass es einen gab. Davon ist nichts, aber auch gar nichts in meinem Kopf. Ich weiß nur von einer Grillfete in der Kieskuhle, angetan mit Jeans und Parka, die am Abend nach der Zeugnisvergabe stieg. Dafür musste ich vorher weder zu einem Abendkleidgeschäft noch zum Friseur.

2 Kommentare

  1. Hallo Susanne,
    lass mich deiner Tochter erst einmal herzlich zur bestandenen Abiturprüfung und euch beiden zum Ende der Schulzeit gratulieren. Ich habe sehr geschmunzelt über deine Beschreibung der Vorbereitungsphase und über den doch nicht unerheblichen Aufwand, der getrieben werden musste. Es freut mich aber, dass ihr im Endeffekt eine schöne Feier und deine Tochter nun eine nette Erinnerung an dieses Ereignis hat.

    Meine beiden hatten auch Abiturbälle, die allerdings ohne Planer von außerhalb vorbereitet wurden. Was in Hamburg gar nicht so einfach ist, ist, eine „Location“ zu finden und die rechtzeitig vor allen anderen, die ebenfalls einen Austragungsort für das „Finale“ suchen, zu sichern. Die zweite Schwierigkeit liegt darin, dann noch Geld übrigzuhaben und mit der Feier kostenmäßig im Rahmen zu bleiben.

    Mein Sohn brauchte seinerzeit auch einen neuen Anzug für den Ball, der von der Konfirmation war nicht das Gelbe vom Ei. Zu düster, nicht mehr richtig sitzend. Aber die Beschaffung seiner Ballkleidung verlief recht komplikationslos. Bei meiner Tochter dauerte die Suche nach einem Kleid länger, doch das liegt in der Familie. Die Standardkleider sitzen einfach häufig nicht, wir Frauen müssen länger Ausschau halten und mehr Läden abklappern. Ich kann mich nicht entsinnen, dass vorab verglichen wurde, wer was trägt und ob die Gefahr des doppelten Anmarsches gegeben war. Es kann jedoch auch an mir vorbeigegangen sein. ^^
    Zum Friseur ging meine Tochter nicht, das machten die Mädels unter sich. Gegenseitig wurden Locken gedreht oder Strähnen festgesteckt. Vielleicht ist das mitdem Friseur- und Stylingtermin jetzt aber auch wieder eine Entwicklung, die die Zeit mit sich bringt. Der Sohn machte das Abi immerhin 2006, die Tochter ihres im Jahr 2009.

    Deiner Tochter für ihre zukünftigen Pläne alles Gute! Und wer weiß, ob die Hochzeit nicht viel schlichter ausfällt! :))

    LG Michèle

    1. Liebe Michèle,
      danke für Deinen Kommentar. Offenbar drehen die Abibälle immer mehr auf. Jedes Jahr teurer und aufwändiger. Einerseits ist es ein großer Einschnitt und Erfolg, wenn die Kinder die Schulzeit so erfolgreich hinter sich gebracht haben. Andererseits kommt da ja noch so einiges im Leben. Steigerung muss möglich sein. Aber wahrscheinlich hat es nicht viel Zweck, sich der Entwicklung entgegenzustemmen.

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