40-Stunden-Woche: Wirklich so unmöglich?

Ein Tweet von einem Mega-Twitterer, sorry X-ler, hat eine heftige Diskussion ausgelöst. Er findet, eine 40-Stunden-Woche sei heutzutage zu viel. Das gab ordentlich Widerspruch. Hier auch von mir.

Der Ausgangspost von @elhotzo, der über mehr als 600.000 Follower verfügt, lautete: „40h Woche in der Theorie perfekt, wenn man zB annimmt dass Menschen keine Freunde, keine Familie, keine Hobbys, keinen eigenen Haushalt haben und außerdem direkt in ihren Arbeitsplätzen wohnen.“ Mein erster Reflex: Was für ein Quatsch. Wenn das stimmen würde, was er da schreibt, hätte ich ein armseliges Leben. Ich habe aber Freunde, eine Familie, reichlich Hobbys und einen eigenen Haushalt. Mein Arbeitsweg beträgt 29 Kilometer.

Alles machbar. Okay, manchmal ist es anstrengend und herausfordernd, weil in unserer Familie so gut wie alles an mir hängenbleibt, aus Gründen, die ich hier nicht darlegen will. Das wusste ich von Anfang an. Es macht mich manchmal mürbe und müde, mit zunehmendem Alter immer mehr. Dennoch bewältige ich das alles ohne größere Probleme. Und ich hab in meinem langen Journalistenleben oft deutlich mehr als 40 Stunden in der Woche gearbeitet.

Arbeit kann auch Spaß machen

Mittlerweile arbeite ich ein bisschen weniger als 40 Stunden die Woche, finde diese Stundenzahl aber immer noch völlig in Ordnung. Denn es kommt noch etwas hinzu: Meine Arbeit ist in gewisser Weise auch mein Hobby, was den Satz von elhotzo noch auf andere Weise widerlegt. Aber selbst wenn die Arbeit nervt: Eine 40-Stunden-Woche ist gut zu bewältigen und es bleibt noch genug Leben übrig.

Rechnen wir doch mal nach: Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit, acht Stunden schlafen. Passt prima, sind 24 Stunden, also ein Tag. Wie ich meine Freizeit verbringe, ist meine Sache. Ob ich in dieser Zeit den Haushalt mache, mich Kindern oder Eltern oder meinen Hobbys widme, bleibt mir überlassen. Oder den Zwängen, die es nun mal gibt. Freizeit heißt ja nicht, nur auf der Couch herumzuhängen. Mit dieser Aufteilung, denke ich, geht es uns doch recht gut. Das war früher schlimmer.

Als noch sechs Tage gearbeitet wurde

Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Arbeitszeit in Deutschland bei 48 Stunden, gearbeitet wurde an sechs Tagen in der Woche. Der siebte Tag war, so ist es historisch gewachsen, dem Gottesdienstbesuch vorbehalten. Von 40-Tage-Woche also keine Spur. Es waren aber auch andere Zeiten. Im damals üblichen Ein-Verdiener-Haushalt war die Ehefrau dafür zuständig, dem Mann bei seiner Arbeit den Rücken freizuhalten. Haushalt und Familie waren ihre Obliegenheiten. Das galt auch noch nach 1965, als nach und nach die 40-Stunden-Woche eingeführt wurde. Ich kann mich noch dunkel daran erinnern, dass mein Vater in meiner Kindheit am Sonnabend zur Arbeit ging.

Mal ganz abgesehen davon, dass Familienmodelle heute anders funktionieren und die Frau, die sich früher um den Haushalt kümmerte, jetzt selbst um die 40 Stunden arbeitet: Die Woche hat deutlich mehr Stunden als nur die 40. Und so erhielt die Twitter-Klage über die 40-Stunden-Woche auch reichlich Gegenwind. „Hast du weniger Stunden pro Woche zur Verfügung als andere Leute? Sind wochentags nach 16:30 keine Freizeitaktivitäten mehr möglich? Gibt es kein Wochenende, wo du lebst?“ Oder auch: „Das hab ich jetzt bald 40 Jahre gemacht UND ich habe gelebt.“

40-Stunden-Woche geht völlig in Ordnung

Alles gute Fragen und Argumente. Ich finde eine 40-Stunden-Woche völlig in Ordnung und kann das Gejammer nicht nachvollziehen. Denn auch ich lebe nebenbei, und das nicht schlecht. Wenn dann noch, wie oben gesagt, die Freude an der Arbeit dazu kommt, weiß ich nicht, was daran so unerträglich sein soll. Außerdem gibt Arbeit Struktur, ja, auch wenn es nur 35 oder 30 Stunden die Woche sind.

Im Übrigen muss niemand 40 Stunden in der Woche arbeiten. Es gibt Teilzeit. Dann werden aber auch nicht 40 Stunden bezahlt, und das dürfte für viele der Knackpunkt sein.

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