Buchsouvenir: Das schönste Aschenbrödel aller Zeiten
Es gibt Bücher aus meiner Kindheit, bei denen wird mir noch heute ganz warm ums Herz. Dazu gehört Aschenbrödel. Aber nicht irgendein Aschenbrödel, sondern das aus der Reihe „Wunderland der schönsten Märchen“ aus dem Bastei-Verlag. Es ist wegen seiner Illustrationen für mich das schönste Aschenbrödel aller Zeiten und war schon damals ein Multimedia-Produkt.
Erschienen ist das großformatige Buch, eher ein Heft, 1966 in einer Reihe mit den schönsten Märchen. Erstaunlich daran ist nicht nur, dass es zwei Medien zusammenfasst, sondern dass schon damals aktive Kundenbindung betrieben wurde. Das Buch enthält nämlich eine Schallplatte, auf der der Text eins zu eins als Hörspiel drauf ist. Die Schallplatte kann, so ist es vermerkt, auf Mono- und Stereogeräten abgespielt werden, das Gerät ist auf 33 Upm einzustellen. Wer von uns noch Schallplatten kennt, der weiß, dass es eine kleine Scheibe ist, keine LP (die jüngeren mögen hier bitte googeln, was das heißt).
Die Kundenbindung besteht darin, dass die Märchenbücher im Abonnement bezogen werden konnten. Der hintere Klappentext verspricht: „Bei Voreinsendung von 30 DM für 5 Bände . . . erhalten Sie porto- und verpackungsfrei und ohne jede weitere Verpflichtung alle 14 Tage je ein großes Bilderbuch mit Schallplatte.“ Ein Angebot, dass meine Eltern offenbar ausgeschlagen haben, denn es gibt nur das eine Buch in der Familie.
Der unbekannte Michele
Warum aber ist es das schönste Aschenbrödel aller Zeiten? Weil die Illustrationen so hinreißend schön sind. Das habe ich schon als Kind so empfunden, und das sehe ich heute noch genauso. Allein die Kleider, die das Aschenbrödel in den drei Ballnächten im Schloss trägt. In der zweiten Nacht ist es ein braunes Kleid mit viel edler Spitze.
Außerordentlich gelungen finde ich auch die hochnäsigen Näschen der Stiefschwestern Charlotte und Mathilde und der Stiefmutter, die auf das arme Aschenbrödel herabsehen, es schikanieren und zu jeder denkbaren Arbeit heranziehen.
Wer hat das so wunderschön gezeichnet? Als Illustrator ist Michele auf dem Klappentext verzeichnet. Nicht mal einen Nachnamen hat man ihm (oder ihr) gegönnt. Ich habe nichts über ihn herausfinden können. Wie schade.
Nun ist ein Märchenbuch mehr als nur die Summe seiner Illustrationen. Der Text ist eine Mischung aus Erzählung und Dialogen. Die Bearbeitung von Ursula Feldhege ist gelungen. In schlichten, aber nicht einfach gestrickten Sätzen erzählt sie die Geschichte des armen Mädchens nach, gibt ihm als Trost ein kleines, schwarzweißes Kätzchen zur Seite. Traurig am Herd eingeschlafen, hört Aschenbrödel plötzlich die silberhelle Stimme einer Fee. Die zaubert dem Mädchen Kutsche, Kutscher, Pferde und Kleider herbei.
Keine Tauben
Die Bearbeitung bewegt sich weit weg vom Original. Aus einem Kürbis wird eine goldene Kutsche, aus Mäuschen in einer Falle werden sechs weiße Pferde. Egal, ob die schönen Kleider nun vom Bäumchen geworfen oder von einer guten Fee gebracht werden, das tut dem Zauber der Geschichte keinen Abbruch. Puristen werden höchstens die Tauben vermissen. Das Sortieren von Erbsen kommt im Heft nicht vor.
Auf der Schallplatte sind Text und Dialoge genau so gesprochen, wie sie klingen sollen. Je nach Inhalt schnippisch, bösartig, verzagt, überrascht. Leider habe ich keinen Plattenspieler mehr, aber ich habe die Platte so oft gehört, dass ich den Klang noch im Ohr habe.
Ich brauche das Hörspiel auch nicht. Ich habe meine Freude an den Zeichnungen, am schönsten Aschenbrödel aller Zeiten.
2 Kommentare
Dagmar
Ich hatte dieses Heft mit der Single, ich würde so gerne die Bilder nochmal sehen. In Gedanken habe ich einige Seiten noch , vorallem das weiß/ goldene Kleid und die Kürbiskutsche.
Susanne
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