Hochwasser: Warum Reporter keine Sandsäcke schleppen

Süd- und Ostdeutschland saufen ab. Die Nachrichten, Bilder, Tweets über das Hochwasser sind heute allgegenwärtig. Journalisten berichten auf allen Kanälen darüber, wie dramatisch die Situation ist, dass Helfer gesucht werden, welche Nummer Bürgertelefone haben und wer alles mithilft. Das ist ihr Job, das können sie, das machen sie, oft rund um die Uhr. Was sie nicht machen: Sandsäcke füllen, Häuser evakuieren oder Keller leer pumpen. Und das ist auch gut so.

„Ein Reporter (engl. to report ‚Bericht erstatten, wiedergeben, aufnehmen‘; altfranzös. reporter ‚berichten‘; latein. reportare ‚zurückbringen‘), auch Berichterstatter, ist eine Bezeichnung für die spezielle Tätigkeit eines Journalisten vor Ort.“  So beschreibt Wikipedia meinen Berufsstand. Für mich mit Betonung auf Berichterstatter. Die erstatten Bericht, aber sie sind nicht Teil der Ereignisse. Reporter im Hochwassereinsatz gehen dort ihrem Beruf nach. Sie sind keine Helfer. Das ist aber nicht allen klar. Und so musste sie kommen, die Frage.

Die Antwort gab’s gleich hinterher:

Mehr ist dazu fast nicht mehr zu sagen. Dennoch will ich meinen Berufsstand verteidigen. Ja, wir stehen an Katastrophen-Orten nur herum, ohne zu helfen. Aber wir tragen die Not der Menschen oder die Not der Tiere oder was auch immer in die Wohnstuben, an die Frühstückstische und auf die Tablets der Menschen. Und zu den Spendern. Es gibt genug Beispiele dafür, dass humanitäre Katastrophen an der Weltöffentlichkeit vorbeigehen, wenn die Medien nicht über sie berichten. Nur wenn das Elend oder die Not präsent sind, sind die Menschen bereit zu helfen. Das ist oft genug bewiesen worden. Und noch etwas: Medien befriedigen ein Informationsinteresse. Das ist ihre ureigenste Aufgabe. Wie groß das Interesse ist, zeigt schon, dass der Hochwasser-Brennpunkt der ARD bei den Einschaltquoten sogar den Fußball schlug. Nun kann man natürlich argumentieren, dass Einschaltquote nicht interessiert, wenn es darum geht, Menschen zu helfen. Aber ich möchte diejenigen, die das fordern, mal hören, wenn ihr Sender oder ihre Zeitung nicht über das Hochwasser berichtet, weil die Reporter Sandsäcke gefüllt haben. Ich glaube kaum, dass das Verständis sehr groß wäre.

Und noch ein Aspekt spielt für mich dabei eine Rolle: Die Arbeit, der Einsatz, das Engagement der Helfer muss ebenso gewürdigt werden wie die Not der Menschen. Wenn Feuerwehren Tag und Nacht ihre Pumpen ansetzen, Soldaten Sandsäcke füllen, DRK und ASB und Johanniter die Menschen aus den evakuierten Häusern betreuen, ihnen warme Getränke und Decken und eine Bleibe auf Zeit zur Verfügung stellen, steht ihnen zu, dass darüber berichtet wird. Auch ihnen setzen die Reporter mit ihrer Arbeit ein Denkmal. Übrigens ebenfalls alles Organisationen, die sich durch Spenden finanzieren. Sie haben ein großes Interesse daran, dass die Öffentlichkeit weiß, was sie leisten und wann und warum sie gebraucht werden. Jeder erfülle also seine Aufgabe. Helfer helfen und Reporter berichten. Ihnen daraus einen Vorwurf zu machen, ist weltfremd und ungerecht. Außerdem: Mit ihren Mitteln, nämlich denen der Informationsverbreitung, helfen auch Medien, wo immer sie können.

2 Kommentare

  1. Vielen Dank für die Darstellung deiner Sichtweise. Ich halte sie aber in der heutigen Zeit der Medienkommerzialisierung, dem Druck auf die klassischen Medien durch das breitflächige Sterben von Zeitungen und diem Verdrängungswettbewerb mit Social Media für idealisiert bis blauäugig (obwohl das ja auch schon vor Jahrzehnten in Filmen wie „Citizen Cane“ thematisiert wurde, also in seiner Form des Katastrophen- und Boulevard-Journalismus schon viel länger ein Problem der klassischen Medien ist). Aber ich bin neugierig und habe deshalb mal zu einer breiten Diskussion aufgerufen: https://www.facebook.com/frank.tentler/posts/10200302624662393?comment_id=5211014&offset=0&total_comments=2&ref=notif&notif_t=feed_comment .
    Bin auf die Meinungen gespannt und korrigiere ggf. gerne meine eigene.
    Vielen Dank für den Anstoss!

  2. Ich glaube nicht, dass meine Ansicht blauäugig ist, sondern ziemlich realistisch. Natürlich ist der Wettbewerb härter geworden und es gibt viel mehr Kanäle, auf denen Nachrichten verbreitet werden. Deshalb ist die Arbeit der Reporter immer noch wichtig und schlicht Handwerk. Aber wir werden ja sehen, wie die Meinungen sind. Danke fürs Teilen.

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