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Heimat: Mehr als eine Adresse

Was ist Eure Heimat? Die Frage stellt Katja in einer Blogparade. Ich habe in den vergangenen Tagen über diese Frage nachgedacht. Es ist die Gelegenheit, das Thema mit einer anderen Überlegung zu verbinden. Wie weit entfernen wir uns in unserem Leben freiwillig von unserem Herkunftsort, unserer Heimat im engeren Sinne?

Bad Gandersheim: für mich heimeliger Herkunftsort, aber nicht Heimat.
Bad Gandersheim: für mich heimeliger Herkunftsort, aber nicht Heimat.

Meine Heimat im Sinne von Herkunftsort ist die Kleinstadt Bad Gandersheim in Südniedersachsen. Eine Heimat, die mir inzwischen fremd geworden ist. Ich bin seit meinem Wegzug von dort oft umgezogen. Ich habe in vielen Straßen gewohnt und mich in vielen Orten heimisch gefühlt. Die Straßen meines Lebens, ohne Orte und Hausnummern:

Neue Straße
Heckenbecker Straße
Rosenwinkel
Stadtgrabenstraße
Bothwellstraße
Tiroler Ring
Eckernförder Straße
Villacher Straße
Lärchenallee
Nebenhofstraße
Tulpenweg
Aegidienstraße
Königsberger Ring
Hartenkamp

Damit liege ich weit über Durchschnitt, denn rein statistisch gesehen zieht der Deutsche im Leben drei Mal um, und das meistens innerhalb seiner Heimat, sprich, seiner Herkunftsregion. Ein Trend, den ich in Gesprächen mit jungen Leuten oft bestätigt sehe. Sie wollen nicht weg aus ihrer Region. Ein anderer Indikator für diese These sind meine Klassentreffen. Die meisten meiner Mitschüler leben noch immer in einem Radius von 100 Kilometern um unsere alte Penne.

Ist Heimat also doch wichtiger, als gemeinhin angenommen? Kleben wir an unserer Heimat. Ich sehe einen Unterschied zwischen denen, die ihre Heimat verlassen wollen oder auch nicht und denen, die ihre Heimat verlassen mussten. Dieser große Unterschied lässt sich an den Heimatvertriebenen fest machen. Die Heimat ist ihr großes Thema, auch für die ehemaligen Flüchtlinge und Vertriebenen, die nicht in Heimatverbänden organisiert sind. Die Heimat verlassen zu müssen, ist offenbar ein Trauma, das nur schwer zu verarbeiten ist und das immer wieder besprochen werden muss.

Das ist Geschichte. Die heutigen Deutschen können ihre Heimat verlassen, sie müssen es aber nicht. Ich habe meine hinter mir gelassen, und es zieht mich auch nichts dahin zurück. Ich habe eine neue Heimat gefunden: dort, wo ich gerade lebe, aber auch in Büchern, Musik, von mir aus auch, etwas hochtrabend, in einer Geisteshaltung. Aber auch in Dingen, an denen mein Herz hängt. Möbel, Fotos. Und natürlich und vor allem an Menschen, wie Daniel in seinem Beitrag zur Blogparade sehr schön beschreibt. Das alles begleitet mich bei jedem Umzug. Die Orte mögen wechseln, die innere Heimat bleibt. So ähnlich wie bei Christian.

Und das Allerschönste daran: Mit diesem Heimatbegriff bin ich nie heimatlos. Ich habe immer mich selbst mit meiner inneren Heimat. Das ist für mich Heimat, nicht die verstaubte, fremd gewordene und vor sich hin dämmernde Stadt meiner Kindheit und Jugend.

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

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