Gutmensch – eine gute Wahl

Die 1991 gegründete sprachkritische Aktion „Unwort des Jahres“ hat ihr aktuelles Unwort gekürt: Gutmensch. Ein Wort mit langer Geschichte und eines, dass sehr unterschiedlich verstanden wird und wurde. Als Unwort des Jahres 2015 ist es eine gute Wahl. Als Unwort anderer Jahre wäre es ein schlechtes Wort gewesen. Denn Gutmensch hat eine Wandlung hinter sich.

Auf der Roten Liste

Im 2005 erschienen ersten Band des „Lexikons der bedrohten Wörter“ von Bodo Mrozek steht das Wort auf der Roten Liste. Der Autor schreibt dazu, das erstmals 1992 gedruckte Wort bezeichne eine „vorwiegend in Deutschland anzutreffende Gattung von Inhabern einer politisch-moralischen Einstellung, die so grundgütig war, dass sie zu ständigem Mahner- und Warnertum führte“. Genau so habe ich Menschen kennengelernt, die ich im Stillen bei mir Gutmenschen genannt habe. Ähnlich wie heute die Vegetarier- und Veganerbewegung achteten sie nicht nur stets darauf, nichts zu tun, was irgendwo auf der Welt Schaden anrichten oder andere Menschen einschränken könnte, sondern versuchten auch immer, andere von dieser Haltung zu überzeugen. Es waren diese Menschen, die stets den moralischen Zeigefinger erhoben hielten und allen, die weder fair gehandelten Kaffee tranken noch im Dritte-Welt-Laden kauften noch Biodiesel fuhren damit ein permanent schlechtes Gewissen einzureden versuchten. Das alles mit sanfter Stimme und einem stets leicht leidenden Blick.

Ein Kampfbegriff

Und heute: Das ironisch-liebevolle, aber dennoch mit leicht verdrehten Augen ausgesprochene Wort ist ein Kampfbegriff geworden, der nichts mehr mit Birkenstocksandalen, selbstgestrickten Socken und – Achtung, neues Modewort – achtsamem Umgang mit der Umwelt oder sich selbst zu tun hat. Zunächst, so mein Eindruck, nach der ersten Wandlung angewendet auf alle, die sich der politischen Korrektheit verpflichtet fühlen, ist es nun zum Kampfbegriff extremer Rechtsausleger gegen diejenigen mutiert, die sich für Flüchtlinge einsetzen und ihnen tatkräftig helfen. Heute wird das Wort Gutmensch Leuten um die Ohren geschlagen, die eine der größten Leistungen erbringen, die Ehrenamtliche je in diesem Land erbracht haben.

Ziel erreicht

Deshalb ist es eine gute Entscheidung, den Begriff des Gutmenschen zum Unwort des Jahres zu machen. Damit hat die Unwort-Aktion ihr Ziel erreicht, „sachlich unangemessene oder inhumane Formulierungen im öffentlichen Sprachgebrauch“ anzuprangern.

Alternativen?

Wer das Wort Gutmensch in den Mund nimmt, diskreditiert nicht die, die er damit bezeichnet, sondern sich selbst. Bleiben noch die früheren Gutmenschen, die mit dem erhobenen Zeigefinger, mit dem Sendungsbewusstsein und dem Kampf für das von ihnen persönlich als gut empfundene Gute. Wie nennen wir die jetzt? Manche sprechen von „moralischen Imperialisten“. Das passt übrigens zu einem Satz aus dem Lexikon er bedrohten Wörter:

„Typisch war, dass man mit den Minderheiten, deren Interessen man selbstverständlich vertrat, nicht persönlich bekannt war, geschweige denn danach fragte, ob sie eigentlich vertreten werden wollten“

Eine andere Idee:

Ich schlage vor: Nennen wir sie einfach Menschen oder – falls wir sie kennen – bei ihrem Namen. Und alles andere denken wir uns. Jeder soll so leben, wie er möchte, so lange er nicht versucht, mir seinen Lebensstil aufzuzwingen oder mich davon zu überzeugen. Versucht er es dennoch, bin ich durchaus in der Lage, mich freundlich, aber bestimmt und ohne den Gebrauch von Unwörtern dagegen zu wehren.

Alle Unwörter seit 1991 stehen hier. Die Pressemitteilung zum Unwort des Jahres findet sich hier.

2 Kommentare

  1. Diesem Teil Ihres Beitrages Satz stimme ich voll und ganz zu:
    „Jeder soll so leben, wie er möchte, so lange er nicht versucht, mir seinen Lebensstil aufzuzwingen oder mich davon zu überzeugen.“
    Vielleicht werden einige deshalb als Gutmensch bezeichnet weil sie genau das nicht beherzigen.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert