Wie Schlagzeilen und Realität auseinander klaffen

Aufkleber Tempo 130 auch ohne Gesetz

Ich war gerade ein paar hundert Kilometer auf der Autobahn unterwegs. Ganz entspannt. Ich höre immer wieder von Problemen mit Zuwanderung. Aber ich spüre nichts davon. Wie Schlagzeilen und Realität auseinander klaffen.

Ich bin für ein Tempolimit. Ohne Wenn und Aber. 130 Kilometer pro Stunde sind auf der Autobahn völlig ausreichend, selbst bei langen Strecken. Habe ich gerade ausprobiert. Ich musste innerhalb von drei Tagen 600 Kilometer auf der Autobahn fahren. Und ich habe kaum jemanden gesehen, der mit mehr als Tempo 130 unterwegs war. Der Verkehr floss auf diese Weise recht entspannt dahin. Nur ein einziges Mal ist mir auf der Überholspur jemand auf die Pelle gerückt und hat mich mit Lichthupe aufgefordert, endlich Platz zu machen. Was angesichts von Lastwagen auf der rechten Spur ein unmögliches Unterfangen war.

Endlich Tempolimit einführen

Obwohl die meisten Autofahrer, zumindest nach meiner Erfahrung, nicht mehr als 130 Kilometer pro Stunde fahren, bin ich für ein gesetzliches Tempolimit. Im Sinne des Klimaschutzes und der Verkehrssicherheit. Ich werde nie verstehen, warum sich Deutschland als einziges Land in Europa so dagegen sperrt. Mit dem Slogan „Freie Fahrt für freie Bürger“ konnte ich noch nie etwas anfangen.

Gerade sind wieder überall Schlagzeilen zu lesen und zu hören, dass der Verkehr auf unseren Straßen aggressiver wird. Die Verkehrsteilnehmer, egal ob mit dem Auto oder dem Fahrrad, würden immer rücksichtsloser, seien immer mehr darauf bedacht, ihren Vorteil durchzusetzen. Und hielten sich dennoch für gute Auto- oder Fahrradfahrer.

Komisch, der Trend muss an mir vorbeigegangen sein. Liegt es daran, dass ich im eher beschaulichen Norddeutschland unterwegs bin. Nicht in den Ballungsräumen in Westdeutschland, in Berlin oder München? Vielleicht. Das Autofahren ist hier weitgehend entspannt, ich kann Radfahrer mit großem Abstand überholen. Dass ich angehupt oder bedrängt werde, ist eine seltene Ausnahme. Da klaffen Schlagzeilen und Realität weit auseinander, zumindest in meinem Umfeld.

Schlagzeilen suggerieren Migrationskrise

Gleiches gilt für die Debatte um Zuwanderung und illegale Migration. Wobei es, darauf wird auf vielen Diskussionen aufmerksam gemacht, so gut wie keine legale Migration gibt. Aber abgesehen davon: Ja, auch hier in meiner Gegend klagen Landräte und Bürgermeister über Probleme, Flüchtlinge unterzubringen. Ja, auch hier fehlt es an Kita-Plätzen und an Lehrern. Aber das war schon vorher so. Die angebliche Migrationskrise fördert die Lage nur deutlicher zutage und verschärft sie sicherlich noch.

Davon abgesehen: Ich spüre nichts von der angeblich so riesigen Zahl von Migranten in meinem Alltag. Im Straßenbild sind es nicht mehr als bisher, und es gibt keine Probleme. Das sieht in den Nachrichten ganz anders aus. Vielleicht ist das erneut der Widerspruch zwischen Großstädten und dem ländlichen Raum, der Dörfer, aber auch Klein- und Mittelstädte umfasst. Ist die Welt bei uns jenseits der Ballungsgebiete wirklich so anders? Wenn ich abends die Nachrichten sehe, denke ich manchmal, ich lebe in einem anderen Land.

Ich habe bereits bei der Änderung des Asylrechts Anfang der 1990er Jahre gedacht, dass man ein Problem nur lange genug herbeireden und Schlagzeilen dazu produzieren muss, damit es alle als Problem sehen und der Boden bereitet ist für Änderungen. Das scheint mir jetzt wieder so zu sein. Und die Autoren vom Verfassungsblog scheinen das ähnlich zu sehen. „Rechtspopulisten, allen voran die AfD – zuletzt aber auch Stimmen aus der CDU – schüren die Angst vor weiterer Zuwanderung gezielt, um daraus politisch Kapital zu schlagen“, heißt es in diesem Beitrag mit dem Titel „Zwischen Symbolpolitik und Verschärfung„. Da wünschte ich mir von meinen Kollegen in den großen Politikredaktionen etwas mehr Einordnung und tiefere Recherche.

Problemlose Kontakte zu Flüchtlingen

Um noch einmal auf meinen Alltag zurückzukommen: Natürlich habe auch ich Kontakte zu Flüchtlingen oder Einwanderern. Die allesamt – anders als die Schlagzeilen oft suggerieren – problemlos verlaufen. Als Vermieter haben wir immer wieder an Geflüchtete vermietet. Es gab nie Schwierigkeiten. Gerade lebt ein junger Afghane in der Wohnung. Vielleicht haben wir Glück gehabt, und wenn es Schwierigkeiten gegeben hätte, so wären sie sicher nicht an der Nationalität festzumachen gewesen. Auch unter Deutschen gibt es Idioten und Menschen, die anderer Leute Eigentum nicht achten.

Im Übrigen habe ich als Reporterin immer wieder mit Flüchtlingen zu tun gehabt, ob mit den Bosniern in den 1990er Jahren oder jetzt mit Syrern oder anderen. Ich immer herzlich willkommen geheißen und fürstlich bewirtet worden. Und immer waren die Wohnungen oder Unterkünfte trotz ihrer meistens minimalen Ausstattung ordentlich und sauber.

Ich verhehle nicht, dass es sich auch Probleme gibt. Ich verurteile die Pro-Hamas-Demonstrationen, die jetzt überall stattfinden und Schlagzeilen machen. Natürlich gibt es in großen Städten Stadtteile, die beinahe oder tatsächlich zu No-go-Areas geworden sind. Das kann niemand richtig finden. Aber so dramatisch, wie derzeit vor allem in sozialen Netzwerken die Migrationskrise – und die Verkehrskrise – dargestellt wird, kann es nicht sein. Es sei denn, ich lebe tatsächlich in einem anderen Land.

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