erlebt,  Pyropro

Feuer unterm Reetdach

Das sind die Momente, in denen die Kamera nicht stillsteht: Feueralarm. Ich hatte mich am Sonntag gerade zum gemütlichen Tatort-Gucken niedergelassen, als der Pieper ging. Brand eines Reetdachhauses. 100 Feuerwehrleute bekämpften das Feuer, allerdings ohne Erfolg. Am Ende musste ein Bagger Dach und Obergeschoss herunter reißen, um das Löschen der tief im Dach versteckten Glut zu ermöglichen. Ein harter Einsatz für die Feuerwehrleute, und eine Herausforderung für Fotografen. Aber das Wichtigste war: Es wurde niemand verletzt.

Ob Fußball oder Tatort, wenn der Alarm losgeht, gibt es für die freiwilligen Feuerwehrleute auf dem Lande – Berufswehren gibt es in Schleswig-Holstein nur in den vier kreisfreien Städten – kein Halten mehr. Dazu haben sie sich verpflichtet, und das nehmen sie sehr ernst. Da kann die Europameisterschaft laufen, völlig egal. Oft beobachte ich, mit welcher Professionalität und mit welchem Können diese ehrenamtlichen Retter vorgehen. Davor kann man nur den Hut ziehen.

Diese herausragende Leistung habe ich erneut beobachten können. Diesmal hatten die Feuerwehrleute mit den tückischen Glutnestern zu kämpfen, die sich unterm kompakten Reetdach gebildet hatten. Für mich als Fotografin war die Aufgabe zunächst leicht zu lösen. Das Haus stand frei, nichts im Wege, von allen Seiten gute Sicht auf die Löscharbeiten, nur dem dichten Qualm galt es auszuweichen. Wo der ist, gehen üblicherweise auch rußige Wassertropfen vom Löschwasser auf einen selbst und auf die Kamera nieder. Oder gar Funken. Ich habe mal nach einem Morgen bei einem sehr großen Großfeuer meine neu gekaufte Winterjacke wegwerfen müssen. Sie war auf der Vorderseite voller Brandlöcher.

Das Problem gab es diesmal nicht. Und so entstanden in der ersten Stunde der Löscharbeiten  Bilder, die wenig technische Anforderungen an einen Fotografen stellen. Seien wir ehrlich: Bei diesen Motiven kann man nichts falsch machen. Draufhalten, und das Ergebnis kann sich immer sehen lassen. Entscheidend ist nur, immer im rechten Moment zur Stelle zu sein. Gerne sollen die Bilder nicht nur Rauch, sondern auch noch Flammen zeigen. Bei 35 Kilometern Anfahrtsweg wie in diesem Fall ein Kunststück. Schließlich sind Journalisten weder mit Blaulicht noch mit sonstigen Sonderrechten unterwegs. Aber da ich den Job bereits seit mehr als 20 Jahren mache, weiß ich: Bei Großbränden ist keine Eile angesagt. So ein Einsatz dauert Stunden. Und so war es auch diesmal.

Trotz des vollen Einsatzes der Feuerwehr brannte das Haus lichterloh.
Trotz des vollen Einsatzes der Feuerwehr brannte das Haus lichterloh.

Wenn man dann so ein, zwei Stunden bei einem Brandeinsatz steht, die ersten Bilder eingesammelt, den Einsatzleiter wegen des Textes gesprochen und die Meldung an die Onlineredaktion abgesetzt hat, gibt es auch mal eine Weile Leerlauf. Man steht und wartet, was weiter passiert. Genaues Beobachten hilft später dabei, einen farbigen, detailreichen Text zu schreiben. Im speziellen Fall des Reetdachhaus-Brandes fiel mir besonders der Mann im Korb der Drehleiter auf.  Unablässig pumpte er aus großer Höhe Wasser in die Flammen. Wobei sein Einsatz oft genug dem berühmten Stochern im Nebel glich. Irgendwo da unten war das brennende Reetdach, aber sehen, nein, sehen konnte er oft genug gar nichts. Unter Atemschutz arbeitete der Feuerwehrmann unverdrossen weiter. Hochachtung. Eine tolle Leistung.

Blindes Löschen: Der harte Einsatz im Drehleiterkorb.
Blindes Löschen: Der harte Einsatz im Drehleiterkorb.

Mit Einbruch der Dunkelheit änderte sich für die Feuerwehrleute nicht viel. Scheinwerfer erhellten den Brandort, die Löscharbeiten gingen weiter und weiter. Entscheidend anders aber werden mit dem fehlenden Licht die Anforderungen an mich als Fotografin. Schon mal versucht, bei einem Feuerwehreinsatz zu blitzen. Das Ergebnis ist unbefriedigend. Alles versinkt im Dunkel, bis auf die reflektierenden Leuchtstreifen auf der Einsatzkleidung. Daran scheitern Anfänger regelmäßig.

Motive wie das immer wieder aufflammende Feuer im Reetdach sind bei Dunkelheit eine ziemliche Herausforderung für den Fotografen. Letztlich hilft hier nur: fotografieren, fotografieren, fotografieren. Abgesehen davon, dass die Motive einen immer wieder zur Kamera greifen lassen, ist dies der beste Garant für vernünftige Ergebnisse.

Immer wieder brach das Feuer im kompaten Reet neu aus.
Immer wieder brach das Feuer im kompakten Reet neu aus.

Das einzige, was in solchen Fällen hilft, ist eine lange Belichtungszeit, gepaart mit einem Blitz, und Luft anhalten. Sonst verwackelt der langzeitbelichtete Teil des Bildes, und das will niemand. So ist es mir auch in der Brandnacht gegangen, allerdings war es nicht meine Schuld. Denn Bewegung ist Gift bei dieser Art des Fotografierens. Das beweist ein Bild des Baggers, der dem Haus den Garaus machte. Die Bewegungsunschärfe der Schaufel lässt sich kaum verhindern.

Das Ende des Reetdachhauses: Der Bagger reißt es ein
Das Ende des Reetdachhauses: Der Bagger reißt es ein

Fazit: Ein Großfeuer ist immer eine Herausforderung für alle Beteiligten. Für die Feuerwehr, die Einsatzleitung der Wehr und die Berichterstatter. Bei all dem darf aber eines nicht vergessen werden. Hier hat ein Mensch, eine Familie, sein und ihr Zuhause verloren. Der wirtschaftliche Schaden ist immens. Verloren gegangen ist nicht nur Hab und Gut, in Feuer und Löschwasser zerstoben und versunken sind auch Erinnerungsstücke und lieb gewordener Besitz, außerdem wichtige Papiere. So schnell und professionell die Feuerwehren auch sind, manchmal können sie selbst mit höchstem Einsatz nichts mehr retten.

 

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

Ein Kommentar

  • Frau Fröhlich

    Oh je, die armen Menschen, die da ihr Heim verloren haben.
    Hoffentlich waren sie gut versichert.

    Bei uns hat es mal im Keller des Mehrfamilienhauses gebrannt … die Wohnungen waren alle nicht betroffen und trotzdem fühlte man sich plötzlich in seinem Heim nicht mehr sicher. Im Heim will man sich sicher fühlen und ist es plötzlich nicht mehr.

    Wir sind dann später dort weg gezogen.

    Hier bei uns gibt es übrigens Berufsfeuerwehren auch nur in den größeren Städten. Bei uns im kleinen Städtchen hat jedes dazugehörige Dorf seine eigene freiwillige Feuerwehr :-)

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