Energiewende: Am Sonntag kommt es zum Schwur

Energiewende? Ja bitte, aber nicht bei uns. Das ist gerade die Situation in unserem Dorf. Morgen kommt es zum Schwur, dann stimmen die Einwohner darüber ab, ob im Dorf ein 80 Hektar großer Solarpark gebaut wird. Ich fürchte, er wird abgelehnt werden.

Die Solarpark-Pläne geistern bereits eine ganze Weile durch den Ort. Ein Grundstückseigentümer wollte den Park ursprünglich vor unsere Terrasse knallen. Zum Glück hat sich ein alternatives Grundstück gefunden, das gar keine Anlieger hat. Alles gut also, vor allem mit Blick auf die dringend nötige Energiewende? Von wegen. Schnell formierte sich Widerstand im Dorf. Es bildete sich eine Bürgerinitiative. Die strengte ein Bürgerbegehren an. Die Mitglieder der Bürgerinitiative sammelten genug Unterschriften, sodass es morgen zum Bürgerentscheid kommt.

Jetzt sind die Einwohner gefragt

Jeder Wahlberechtigte hat eine Abstimmungsbenachrichtigung bekommen. Im Briefumschlag steckten dazu je eine Stellungnahme der Gemeinde, die den Park will, und der Gegner. In diesem Schreiben legen sie ihre Argumente dar. Die Gemeinde hebt auf die Energiewende ab, aber auch darauf, dass sie sich Einnahmen von dem Solarpark erhofft. Die Gegner argumentieren mit enormem Flächenverbrauch, weiteren geplanten Solarparks in der Umgebung, der Belastung von Natur- und Landschaftsbild und – für mich völlig neu, damit, dass der Solarpark Greifvögel kille. Die Module würden ihnen vorspiegeln, sie seien ein See. Das sei der Lake-Effekt. Andere Experten sehen Solarparks als Chance für den Artenschutz. Auch der Nabu hat sich ausführlich zum Artenschutz geäußert.

Abgesehen davon sind Solarparks ein wichtiger Beitrag zur Energiewende und damit zum Klimaschutz. Wie wollen wir beides bewältigen, wenn wir alle Wege zu erneuerbaren Energien versperren? Ich fürchte, so wird es auch morgen kommen, denn das Votum der Einwohner ist bindend. Stimmen sie gegen den Solarpark, wird er nicht gebaut. Genau diese Auswirkungen hatte vor kurzem ein Bürgerentscheid im Nachbardorf. Die Mehrheit lehnte ihn ab.

Viele Befürworter einer Energiewende

Was mir Hoffnung für die Abstimmung bei uns macht, ist die Tatsache, dass der Klimaschutz wieder vermehrt in den Fokus gerückt ist. Vielleicht gibt es doch genug Einwohner, die die Bedeutung der Energiewende erkennen und dem Vorhaben keine Steine in den Weg legen. Ich bin für den Park und werde deshalb mit Nein stimmen.

Wer jetzt staunt: Die Frage ist wie bei vielen Bürgerentscheiden etwas verworren gestellt. Die Frage lautet nämlich nicht, ob die Abstimmungsberechtigten für oder gegen den Solarpark sind. Die Frage ist vielmehr, ob sie dafür sind, den dafür auf den Weg gebrachten Bebauungsplan aufzuheben, also die Planung zu stoppen.

Warum ein Ja ein Nein ist und umgekehrt

Wer gegen den Solarpark ist, muss also mit Ja stimmen, damit die Planung aufhört und der Park nicht gebaut wird. Wie viele der Einwohner diese sehr komplex formulierte Fragestellung erfassen und wie viele sich bei ihrem Kreuzchen vertun, wird nicht zu ermitteln sein.

Morgen Abend sind wir schlauer. Dann wissen wir, ob die Energiewende auch bei uns stattfindet. Ein paar Windräder stehen hier schon. Aber das reicht natürlich nicht aus. Windräder werden übrigens auch abgelehnt und sogar als Industrieanlagen diffamiert. Ein Schicksal, das mittlerweile auch den Solarpark ereilt hat. Wording und Framing halt.

3 Kommentare

  1. Das ist echt deprimierend. Es soll nicht zynisch klingen, aber hätte das Talent von Robert Habeck in seiner Zeit als euer Landwirtschaftsminister Einfluss gehabt auf die vielleicht negative Entscheidung der Bewohner:innen? Er sagte doch, dass der Bau der vielen Windräder dort geschmeidig vonstatten dank seines Engagements (Überzeugungskunst) gegangen sei. Ich glaube er erwähnte auch, dass die Leute an solchen Projekten wirtschaftlich beteiligt werden sollten. Wenn das alles nichts nützt und sogar von Seiten der Umwelt- und Naturschützer Einsprüche kommen, ist uns wohl kaum noch zu helfen. Die Energiewende werden wir auf diese Art und Weise nicht schaffen. 2 % der Fläche unseres Landes soll für Windparks draufgehen. Kannst du dir vorstellen, was los ist, wenn das erst einmal praktisch umgesetzt werden soll? Ich sehe schwarz. Wir dürfen auf die Blackouts warten, schätze ich mal.

    1. Moin Horst, es war knapp, aber es ist gekommen wie befürchtet: Mit einer Stimme Mehrheit wurde der Solarpark abgelehnt. Obwohl es das Angebot gab, dass sich Einwohner mit sechs Prozent Verzinsung beteiligen können und obwohl alle die Energiewende wollen. Aber bitte nicht hier. Wie es jetzt weitergeht, ist unklar, ob der Grundeigentümer ein neues Grundstück aussucht oder nicht. Für das jetzt vorgesehene ist jedenfalls erst einmal zwei Jahre Stillstand. Es ist sehr frustrierend.

  2. Das ist frustrierend. Ich glaube, dass wir auch weiter so gehen. Die Überzeugung kann schließlich nur bei Menschen wechseln, die dazu auch bereit sind. Und die Gegnerschaften auch auf diesem Gebiet sind ja längst so wie bei anderen Themen (Corona, Flüchtlinge). Es ist sehr traurig wie wir uns auseinanderdividieren.

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