Tagesausflug an die Westküste
Wer in Schleswig-Holstein zwischen den Meeren lebt, sollte sich nicht einseitig orientieren. Ich habe aus guten Gründen einen Hang zur Ostsee, schon allein wegen der Nähe. Dabei liebe ich die Westküste. Warum also nicht mal einen Tagesausflug dorthin unternehmen?
Was aber ist so toll an der Westküste? Das Klischee lautet: nichts. Es ist eine Landschaft mit wenigen Landmarken, die das Auge festhalten. Stehen hinter dem Deich noch Bauernhöfe, windschiefe Bäume und vor allem Windräder, ist die Landschaft vor dem Deich, zwischen Watt und Festland, platt und leer. Gerade diese Leere aber macht sie so reizvoll. Das kann man niemandem erklären, das muss man selbst gesehen und erlebt haben.
Gar nicht rot: Der rote Haubarg
Wohin aber an der Westküste abseits von Deich, Watt und Schafen? Erster Anlaufpunkt war für mich der Rote Haubarg in Witzwort. Der ist übrigens gar nicht rot, verdankt seinen Namen aber dem einstigen Dach aus roten Ziegeln. Der Haubarg, hochdeutsch Heuberg, ist eine von drei typischen Bauernhofformen an der Westküste. Wer darauf achtet, sieht sie überall stehen.
Im Inneren beherbergt der Rote Haubarg ein Restaurant und ein Museum. Der Eintritt ist frei. Im Museum sind Werkzeuge und Maschinen der Bauern aus früheren Jahrhunderten ausgestellt. Außerdem hat man von der großen Wirtschaftsdiele aus einen Blick in die komplizierte Dachkonstruktion des Haubargs.
Zum Wahrzeichen der Westküste
Nach der Stippvisite am Haubarg wusste ich zunächst nicht so recht wohin, sah dann einen Wegweiser nach Osterhever. Da fiel mir sofort Westerhever ein und damit der wohl berühmteste Leuchtturm weit und breit. Er ist mit seinen zwei flankierenden Häusern das Wahrzeichen der Halbinsel Eiderstedt und der gesamten Westküste.
Wie es sich für touristische Anziehungspunkte gehört, hat sich am Rande des Leuchtturms touristische Infrastruktur angesiedelt. Wobei am Rande etwas untertrieben ist, wie ich gleich erzählen werde. Jedenfalls liegt direkt am Deich von Westerhever ein kostenpflichtiger Parkplatz samt Kiosk, Toiletten und Infozentrum des Naturparks Wattenmeer. Am Parkplatz kann man die Tickets für die Leuchtturmführung kaufen. Allerdings weist ein Schild darauf hin, dass sie bereits für zwei Tage ausverkauft sind. Offenbar ist das der Normalzustand, wie ich anderen Blogs entnommen habe.
Das Schild weist zudem darauf hin, dass es bis zum Leuchtturm zweieinhalb Kilometer Fußmarsch sind. Und so machen sich Scharen von Menschen auf, übers Deichvorland zu laufen, um zum Leuchtturm zu pilgern. Dafür wurde 2006 ein Betonweg angelegt.
Das Schöne an der Westküste ist, dass man sein Ziel immer vor Augen hat. Und dann zieht sich der Weg und zieht sich und zieht sich. Schön auch die Kommentare der Leute, die ebenfalls auf dem Weg unterwegs sind. „Der kommt gar nicht näher“, stellen die einen fest. Andere trösten ihre Kinder mit den Worten: „Bald sind wir da, guck, es ist gar nicht mehr weit.“ Das aber täuscht gewaltig.
Das Ziel stets vor Augen heißt es laufen, laufen, laufen. Irgendwann ist der Leuchtturm dann erreicht. Wer wie ich gegen Mittag unterwegs ist, erlebt allerdings eine Enttäuschung. Das Ensemble aus Leuchtturm und Häusern liegt immer im Gegenlicht. Der Fußweg führt aus Richtung Norden zum Turm. Die Warft, auf dem er steht, kann nicht umrundet werden. Auf der anderen Seite ist nichts als schlammiger Boden, von Queller bewachsen. Diese Pflanzen besiedeln als erste den aufgeschwemmten Wattboden und sind immun gegen Salzwasser.
So muss der Fotograf also den Leuchtturm im Gegenlicht nehmen. Es geht um diese Tageszeit nicht anders. Wenn man die Warft erklommen hat, ist der Reiz des einmaligen Ensembles zudem weg. Das besondere dieses Leuchtturms erschließt sich vor allem aus der Ferne, noch besser aus der Luft.
Nach einem naturgemäß kurzen Besuch am Leuchtturm geht es zweieinhalb Kilometer zurück zum Parkplatz. Wer mag, kann noch einmal links abbiegen zum Watt und zur Sandbank. Darüber hat das Blog indernaehebleiben.de einen schönen Beitrag mit tollen Fotos veröffentlicht.
Auf Hin- und Rückweg, beim Laufen über die Deiche, bei der Fahrt durch die Gegend hat die Westküste mit ihrem platten Land an diesem sonnigen und windigen Tag wieder ihren ganzen Reiz entfaltet. Höchste Zeit, mal wieder hinzufahren. Immerhin sind es für uns aus nur 150 Kilometer. Man täusche sich nicht, das kleine Schleswig-Holstein ist größer, als es aus der Ferne aussieht. Vor allem aber sind viele Regionen einen Besuch wert. Mein Ausflug hat nur einen kleinen Ausschnitt davon gezeigt. Ich muss also wieder mal los.