Musikersprüche: senza kratz und con Kinn am Bauchnabel
Jede Branche hat ihre Sprüche, jede Sportart auch. Und die Musiker haben ebenfalls Witzchen, Bonmots oder Äußerungen, die immer mal wieder kommen und ausgesprochen witzig sind. Ich habe selbst viele davon in meinem langen Hobbymusiker-Leben gehört und etliche andere gelesen. Nach und nach habe ich eine Reihe davon gesammelt. Hier kommt als Musikersprech, Orchestersprech. Chorleitersprech und allerlei ähnliche Sprüche.
Schon meine Gesangslehrerin hatte vor über 30 Jahren einen großen Schatz an Sprüchlein, mit denen sie ihre Schüler malträtierte. Der schönste, der mir im Gedächtnis geblieben ist, definierte, wie weit beim Singen der Mund aufzureißen sei:
„Du musst das Kinn an den Bauchnabel knöpfen.“
Das passt sehr gut zu Mahnungen, die der Leiter unseres Kirchenchors häufig an uns richtet. Es liegt in der Natur der Kirchenmusik, dass dort oft der Herr besungen wird. Ich denke nur an den Eingangssatz „Herr, unser Herrscher“ aus der Johannespassion von Johann Sebastian Bach. Nun sind wir ein norddeutscher Kirchenchor, und die Mahnung besagt, dass wir den Herrn bitte nicht so norddeutsch besingen mögen. „Härr, unser Härrscher“. Das passiert nicht, wenn man den Mund beim Singen ordentlich nach unten aufreißt statt in die Breite. Ein andere Tipp hilft ebenfalls gegen das Norddeutsche, diesmal beim Wort Ehre.
„Macht mal ein bisschen dänische Ehre. Øre sei Dir Christe.“
Aussprache ist ein ewiges Thema beim Chorsingen. Niemand will sich allein mit dem Programmheft begnügen:
„Text gibt es an der Kasse.“
Mitnichten. Den Text soll der Zuhörer tunlichst auch gesungen verstehen. Da passt ein schöner Spruch zur Aussprache des ebenfalls in kirchenmusikalischen Werken recht häufigen Wortes Kyrie, das oft über mehrere Töne gesungen wird, also Ky-y-y-ri-i-e. Da gilt die Bitte:
„Keine Kühe und wenige Pferde.“
Das heißt im Klartext, dass die Sänger zwischen den üs bitte keine hs hören lassen sollen. Von wegen Hü-hü, wie es im Wort Kühe vorkommt und wie man es zu Pferden sagt.
Beim Thema Aussprache kommen auch die Fische zu Ehren:
„Beim ,alle‘ an Aale denken, damit das l nicht den Ton kappt.“
Text ist aber nur eine Sache, und nicht die Wichtigste beim Chorsingen. An erster Stelle steht die Musik. Und auch da gibt es eine Reihe schöner Sätze, die jeder Chorist beherzigen sollte.
„Der Ton dauert immer so lange, bis er zu Ende ist.“
„Lieber zu hoch als unsauber.“
Falsche Töne oder Einsätze in der Generalpause lassen sich mit diesem Satz parieren, ohne dem Sünder weh zu tun.
„Diese Kreativität ist nicht erwünscht.“
Auch das ist eine Binsenweisheit, die nicht oft genug wiederholt werden kann:
„Musik machen hat immer auch etwas mit Zuhören zu tun.“
Viele weitere schöne Chorleitersprüche sind auf der Seite der Musik im Nassauer Landesdom Wiesbaden gesammelt. Probensprüche präsentiert hier der Elsch-Chor aus Troisdorf.
Was für Chöre gilt, gilt natürlich auch für Instrumentalisten, wenn auch mit kleinen Abweichungen. Unvergessen ist die Frage eines Trompeters aus einer Generalprobe für ein Oratorium:
„Chormeister, wie willste das haben: schnell oder schön?“
Von der Kunst, ein ordentliches Piano zu spielen, kündet diese Weisheit:
„Bruckner hatte in seinem Orchester nicht 16 erste Geigen, weil er Krach machen wollte, sondern weil er ein schönes Piano haben wollte.“
Die Musikersprüche sammele ich schon lange. Ein paar schöne Beispiele für Orchestersprech sind mir gerade auf Twitter begegnet, und das hat mich inspiriert, diese Sammlung jetzt zusammenzustellen (da kommt endlich das senza kratz).
„Die Violinen bitte etwas weicher und senza kratz. Und alle anderen senza schlepp!“ #Dirigentensprech #Orchester
— Schöne Müllerin (@Riedingfan) 8. Januar 2015
Rechter Daumen Richtung Celli: „Zu langsam!“ – Linker Daumen zu Geigen: „Zu schnell!“ – Beide Daumen auf sich: „RICHTIG!“ #dirigentensprech — Schöne Müllerin (@Riedingfan) 8. Januar 2015
Unnachahmlich: Unser Maestro. „Meine Damen und Herren, es klingt…äh…also es klingt, wie es in meiner Küche aussieht.“ #orchester
— Schöne Müllerin (@Riedingfan) 8. Januar 2015
@Pyrolim „Hier dürfen Sie endlich mal so spielen, wie Sie es sonst immer tun und nicht dürfen: Breit!!“ #dirigentensprech
— Schöne Müllerin (@Riedingfan) 11. Januar 2015
#Dirigentensprech des heutigen Abends: „Das klingt so gequält…so klinge ich im Fitnessstudio!“
— Schöne Müllerin (@Riedingfan) 8. Januar 2015
@Pyrolim @Riedingfan hm … ich kenne nur "An dieser Stelle lieber tot umfallen als zu atmen …"
— Mathias Kock (@mathias_kock) 8. Januar 2015
Der Bratschist ist im Orchester übrigens der, der mit den meisten Witzen überzogen wird. Deshalb hat die Wikipedia dem Bratscherwitz sogar einen eigenen Eintrag gewidmet. Zudem hat der Bratscherwitz eine eigene Webseite.
Egal wie bissig der Dirigent, wie kritisch der Chorleiter, Musik machen macht Spaß. Trotz und auch wegen der netten Sprüche. Eines aber ist auch klar und wird gern von Chorleitern noch mal klargestellt:
„Musik machen ist keine basisdemokratische Veranstaltung.“
Ich nehme gerne weitere Musikersprüche entgegen. Wer kennt noch welche? In den Kommentaren ist reichlich Platz dafür.
Ein Kommentar
Petra Rohlfs
Liebe Susanne,
mein Lieblingsspruch von Norbert: „Manche Töne muss man selber singen!“
Viele Grüße
bis Mittwoch
Petra