Kreativ schreiben unter floskelwolkenlosem Himmel

Was ist eine Floskel? „Als Floskel werden schmückende Ausdrücke, nichtssagende Redensarten sowie unnötige Phrasen bezeichnet“, lautet die Definition, die wortwuchs.net gibt. Die dort angeführten Beispiele treffen nicht ganz das, was sich die Erfinder der Floskelwolke vorgestellt haben. Sie haben unter diesem Titel der Floskel im Sinne von hohler Phrase – schöne Floskel, oder? – den Kampf angesagt. Ein Kampf, der nicht auf allen sprachlichen Feldern zu Recht geführt wird, aber ungemein dazu reizt, in Texten wie diesen mit Floskeln zu spielen.

Zurück zum nüchternen Nachrichten-Sprachgeschäft. Genau das ist es, was die Initiatoren der Floskelwolke, Udo Stiehl und Sebastian Pertsch, jeden Tag betreiben. Und deshalb ist ihr Blick auf Floskeln von eben jenem Nachrichtengeschäft geprägt. Und das ist auch gut so, um es mal mit einer Floskel zu beschreiben. Nachrichten sind Nachrichten, und dort haben Floskeln, Phrasen, Spezialausdrücke, Abkürzungen und Lobby-Deutsch nichts, aber auch gar nichts verloren. Das gilt für gedruckte Nachrichten ebenso wie für im Fernsehen oder Radio vorgelesene oder von Agenturen verbreitete.

Jenseits der Nachrichten gibt es aber im journalistischen Geschäft weitere Text-Spielarten. Reportage, Glosse, Kommentar. Sie zu schreiben, erfordert mehr als nüchterne Nachrichtensprache. Wortspielereien, Textmelodie, detailreiche Schilderungen und ein bisschen Selbstverliebtheit des Autors zu seinem Text sind die Würze, die solche Texte erst gut macht. Und damit beginnt ein Drahtseilakt zwischen Sprachwitz und Floskel, zwischen Bonmot und Phrase.

Wir allen kennen Formulierungen, die wegen ihrer Griffigkeit, ihres Überraschungsmoments oder ihres Wortwitzes zu geflügelten Worten geworden sind, ohne zu Floskeln oder Phrasen zu verkommen. So ist mir bis heute die Überschrift „Das Rot der frühen Jahre“ über einem Text zur Frühzeit der SPD in Erinnerung geblieben. Wohl jeder von uns hat solche Formulierungen, die sich für immer einen Platz im Gedächtnis erobert haben. Graben sie sich in ganz, ganz viele Gedächtnisse ein und werden von vielen Schreibern immer wieder verwendet, werden sie zur abgegriffenen Phrase oder zur Floskel. Ein Schicksal, dass das Bild von der baumelnden Seele ereilt hat.

Davon zu unterscheiden sind die Floskeln, die sich auf schiefe Bilder gründen. Viele davon enthält die Floskelwolke völlig zu Recht. Etwa der Spitzenreiter, die Unfälle und Brände, die „Tote fordern“. Oder das fallende Thermometer. Das sind schlicht falsche Formulierungen, die in keinem Text etwas zu suchen haben.

Gute Schreiber unterscheiden fein zwischen Sprachwitz und Floskel. Aber wie schafft es der kreative Schreiber, zupackend, bunt, treffend und lesenswert zu schreiben, ohne in die Floskelfalle zu laufen? Das ist die hohe Kunst. Sie zu beherrschen, macht aus einem Autor einen guten Autor. Die landläufigsten Floskeln zu vermeiden, ist kein Kunststück. Jeder, der sich mit Texten befasst, dürfte sie kennen: das leibliche Wohl, das geschwungene Tanzbein und die wohl am meisten verwendete Phrase „Es ist wieder so weit“. Und wer Nachhilfe braucht, kann sich in die Floskelwolke begeben.

Ich kann nur sagen, wie ich es halte. Erst mal frisch drauflos geschrieben. Ich mache das schon über 30 Jahre, das übt ungemein. Hinterher muss der Text intensiv überarbeitet werden. Ich klopfe alle Bilder darauf ab, ob sie stimmig sind. Alle Adjektive, ob sie treffend sind. Alle Redewendungen, ob sie abgegriffen sind. Das alles schützt aber nicht vor Floskeln und Phrasen, die eine oder andere rutscht bestimmt mal durch. Was gar nicht so schlimm ist, wie Thomas in seiner Kritik an der Floskelwolke mit dem Titel „Das schlägt dem Fass die Krone auf!“ schreibt.

Noch besser ist es allerdings, keine Floskeln zu verwenden, sondern so überraschende, frische oder ausgefallene Sätze, dass sie ganz vielen Menschen im Gedächtnis bleiben, von ihnen immer häufiger verwendet und so zur Floskel werden. Was kann einen Schreiber mehr adeln, als Urheber einer solchen geflügelten Floskel zu sein?

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