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Brutale und unbrutale Morde

Es gibt Wörter, die sind offenbar auf ewig miteinander verbunden, so unvermeidlich kommen sie im Doppelpack daher. Man denke nur an den so oft zitierten wohlverdienten Ruhestand. Ich warte seit Jahren vergeblich darauf, dass irgendjemand einmal ganz ehrlich von einem unverdienten Ruhestand spricht. Da werde ich wohl noch lange warten müssen. Ein anderes Wortpaar ist der brutale Mord oder auch, als Verb formuliert, die Aussage, dass jemand brutal ermordet wurde. Aber gibt es auch unbrutale Morde?

Frauennotruf-Frauen, mit denen ich früher oft beruflich zu tun hatte, haben darauf bestanden, dass die Formulierung „brutal vergewaltigt“ per se falsch sei. Eine Vergewaltigung sei grundsätzlich brutal. Anders sei sie gar nicht denkbar. Recht haben die Frauen. Schließlich ist das Wort Gewalt in Vergewaltigung enthalten, und Gewalt ist immer brutal. Was heißt das jetzt für den brutalen Mord? Meine Mordsthese, bei Twitter mit leicht fehlerhafter Rechtschreibung in die Welt gesetzt, erntete sofort Widerspruch:

 

 

 

Ich weiß, was sie meinen. Natürlich gibt es mehr oder weniger bestialische oder brutale Möglichkeiten, einen Menschen auf kriminelle Weise vom Leben zum Tode zu befördern (gleiches gilt natürlich auch für  rechtlich sanktionierte und trotzdem zu verurteilende Hinrichtungen). Und doch halte ich die Formulierung „brutaler Mord“ ebenso wie „brutale Vergewaltigung“ für unangebracht. Beides ist für sich so brutal, dass es mit dem Tod beziehungsweise mit schweren seelischen und körperlichen Verletzungen des Opfers endet. Ob jemand schnell erschlagen oder langsam zu Tode gebracht wird, ist gleich brutal, so wie die große Mehrheit aller Morde mit Todesangst und Schmerzen für das Opfer einhergeht. Ich will keiner Tat die Brutalität absprechen. Ich möchte nur, dass sensibler mit Sprache umgegangen wird. Wenn schon über einen brutal verübten Mord berichtet wird, dann gesteht dem Opfer zu, dass seine Qualen mit mehr als nur dem in diesem Zusammenhang inflationär gebrauchten Wort „brutal“ benannt werden. Die Sprache bietet so viele Möglichkeiten, ohne dass der Schreiber ins blutige Detail gehen muss.

Wörter fürs Töten hat Anatol Stephanowitsch in seinem Sprachlog aufgelistet und darüber geschrieben, dass es davon viel mehr als für das Lieben gibt.

 

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

Ein Kommentar

  • Wilfried

    Oh Susanne,

    Du Hüterin der deutschen Sprache (und ich meine nicht der Deutschtümelei), natürlich bist Du im Recht! Aber gesprochene und geschriebene Sprache sind halt zweierlei. Als Schreiber musst Du doppelt aufpassen, keine Plattheiten zu verbreiten – Deine Sensibilität würde ich in mancher Redaktion, egal ob in Presse, Funk oder TV, gerne sehen!

    Mach weiter so und gib Deinen Schutzbefohlenen so viel Sprachgefühl wie möglich mit auf ihren Berufsweg!

    Wilfried

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