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Winter: Harte Zeiten für Polizeireporter

Glatteis, Schneegrieseln und Dunkelheit: Über Unfälle zu berichten ist im Winter kein leichter Job.
Glatteis, Schneegrieseln und Dunkelheit: Über Unfälle zu berichten, ist im Winter kein leichter Job.

Jetzt geht sie wieder los, die harte Zeit für Polizeireporter. Denn nun häufen sich nicht nur wieder die Unfälle und Brände, sondern jede Fahrt zum Ort des Geschehens wird wieder zum Wagnis und der Daueraufenthalt draußen zur Qual. Gerade erst hat sich wieder angekündigt, wie es werden wird. Und es graust mir jetzt schon.

„Unfall, Bundesstraße 0, bei Xxxx“ quäkt das I-Phone, auf das die Rettungsleitstelle ihre Pressemeldungen schickt. Draußen ist es dunkel, kalt und nass. Warum wohl sind da draußen zwei Autos zusammengestoßen? Weil es gar nicht so leicht ist, zwischen Regentropfen und blendenden Scheinwerfern die Spur auf der Straße zu finden und zu halten. Geht mir jedenfalls so, vielleicht weil ich nicht mehr ganz jung bin. Also los zum Unfallort. Geht noch, ist ja kein Glatteis. Aber dieser eine Unfall vor wenigen Tagen gab mir wieder einen Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Monaten unweigerlich kommen wird.

Beispiel aus dem vergangenen Winter gefällig? 21 Uhr, gerade zu Hause, im Warmen auf dem Sofa. Es piept. Großbrand in S-Dorf, eine Scheune voll gefüllt mit Stroh-Rundballen steht in Flammen. S-Dorf ist 36 Kilometer weit weg. Mütze auf, Schal um, Jacke an, Stiefel, Schokoriegel, Zigaretten, Handschuhe nicht vergessen, und los. Draußen vor der Tür ein fieser Schneesturm. Die ersten fünf Kilometer sind weder die weißen Leitpfosten am Straßenrand erkennbar noch ist zu sehen, wo genau die Straße entlang führt. Im nächsten Dorf die Bushaltestelle ansteuern, das Handy zücken, die Leitstelle anrufen: Lohnt es sich, sich weiter hier durchzukämpfen. Ja, sagt der Mann am anderen Ende der Leitung, das lohnt sich allemal.

Acht Kilometer und etliche Minuten weiter wechseln Rehe im dichten Schneetreiben über die Landstraße. Ob ich je lebend am Brandort ankomme? Ich mache den Job jetzt schon so lange, aber immer fürchte ich, zu spät zu kommen. Dabei weiß ich, dass die Löscharbeiten bei solchen Bränden Stunden dauern, manchmal zwölf und mehr. Es besteht also an sich kein Grund zur Eile, aber die innere Anspannung bleibt. Das innerliche Hetzen, gebremst von Schnee und schlechter Sicht. Zum Glück hält das Wetter manchmal Überraschungen bereit. Nach weiteren fünf Kilometern holt Frau Holle die Betten rein. Der Schneefall ist wie abgeschnitten, was bleibt sind glatte Straßen, aber das ist alles zu meistern.

Ankunft am Brandort. Nichts verpasst, ganz im Gegenteil. Gerade erst werden die brennenden Rundballen aus der Scheune geholt. Unablässig schießt die Feuerwehr Tausende von Litern Wasser in die Halle und die Glutnester. Das Wasser sammelt sich auf dem Boden, gefriert sofort. In dieser Nacht erleiden drei Feuerwehrleute Handgelenksbrüche, weil sie auf der Eisbahn ausrutschen.

Einfach besser in Farbe: Beim Brand einer mit Strohgefüllten Scheune holt ein Trecker die Ballen ins Freie.
Beim Brand der mit Stroh gefüllten Scheune holt ein Trecker die Ballen ins Freie.

Ich erledige meinen Job mit vier Händen. Eine für die Kamera. Eine für das I-Phone, um ein Video zu drehen. Eine für das Privathandy, um erste Fotos an die Onliner zu schicken. Eine, um mich auf dem abschüssigen Hof am Zaun zum Nachbarn festzuhalten, um nicht lang aufs Eis zu schlagen. Gut dass die Winterjacke so viele Taschen hat, um immer wieder das Handwerkszeug zu wechseln. Den Block für die Infos brauche ich erst einmal nicht, die Einzelheiten sammele ich hinterher im Einsatzleitbus vom Einsatzleiter ein.

Und nun stelle ich mir das alles mal im Juli vor. Hatte ich auch schon. Völlig problemlos. Aber das kann sich ja jeder selbst ausmalen.

Ähnlich ist es mit Unfällen. Ich bin schon an Unfallstellen aus dem Auto gestiegen und habe auf dem Hintern gesessen. Wenn es sowieso spiegelglatt ist, ist auch eine Unfallreportage kein Kinderspiel. Hinzu kommt noch, dass es im Winter meistens dunkel ist und das Fotografieren besondere Anforderungen stellt. Reflektierende Einsatzjacken, rotierende Blaulichter, ständig Regentropfen auf dem Objektiv und ringsum tiefste Dunkelheit. Na danke.

Schlechtes Licht, reflektierende Schutzjacken - Einsatzkräfte im Dunkeln zu fotografieren ist eine Kunst.
Schlechtes Licht, reflektierende Schutzjacken – Einsatzkräfte im Dunkeln zu fotografieren ist eine Kunst.

Nun sollen Reporter nicht über ihre Arbeitsbedingungen jammern. Jedenfalls nicht in der Zeitung. Deshalb wähle ich mein Blog, um alle diese Erfahrungen aufzuschreiben. Und eines will ich dabei nicht vergessen. Ob ich rechtzeitig da bin, ob ich gute Arbeitsbedingungen habe oder nicht, ist erst einmal zweitrangig. Völlig zweitrangig. Wichtig ist zuerst, dass die Rettungskräfte und Löschmannschaften heile hin kommen, um Verletzten zu helfen und Feuer zu löschen. Darüber habe ich hier schon einmal geschrieben, und meine Hochachtung gilt in erster Linie diesen zumeist ehrenamtlichen Helfern, die sich in den Sturm und aufs Glatteis stürzen, um Hilfe in höchster Not zu leisten.

Aber so ein bisschen darf ich mich ja auch mal beklagen.

Susanne Peyronnet *1960 Wurzeln in Niedersachsen Leben in Schleswig-Holstein Redakteurin seit 1981 Hobbys: Reisen, Lesen, Reiten Musik: Klassik, Klassik, Klassik (Ausnahme Kammermusik) Länder: Deutschland, Frankreich

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