Die Sucht zu sabbeln
„Bozsik, immer wieder Bozsik, der rechte Läufer der Ungarn hat den Ball – verloren, diesmal an Schäfer. Schäfer nach innen geflankt. Kopfball – abgewehrt. Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt . . . Toooor! Toooor! Toooor! Toooor!“. Worte, die auch heute noch kalte Schauer über den Rücken jagen. Ins Mikrofon gebrüllt von Herbert Zimmermann in seiner legendären Hörfunkreportage über das WM-Endspiel von 1954, das „Wunder von Bern“. Ohne Pause redete Zimmermann sich in Rage, und das war auch gut so. Kaum jemand konnte sehen, was er da beschrieb, waren Fernseher doch noch Mangelware.
Und heute? Jeder kann sehen, ob Podolski ein Tor schießt oder Schumi überholt. Und was machen die Kommentatoren? Sie sabbeln wie zu alten Hörfunkzeiten. Besonders nervig bei Formel-1-Übertragungen. Vielleicht liegt’s am monotonen Rooaar-rooaar-rooaar der Boliden auf jeder der 70 oder mehr gleichförmigen Runden, dass die Reporter und ihre Gesprächspartner atemlos über Reifen, Asphalttemperaturen, Boxenstopps oder Pole-Position schwadronieren. Als sei der Fernseher noch nicht erfunden oder müsse fehlende Hintergrundmusik – vielleicht auch das nervtötende Rooaar-rooaar-rooaar – übertönt werden.
Da lob’ ich mir doch maulfaulere Kommentatoren anderer Sportarten. Springreiten zum Beispiel ist in dieser Hinsicht vorbildlich, weil die Reporter so schön maulfaul sind: „Oxer.“ „Steilsprung.“ „Jetzt die dreifache Kombination.“ „Und null Fehler für Ludger Beerbaum.“ Das hat Größe. Wer mehr wissen will, soll sehen. Und die Rasentemperatur oder die Profiltiefe der Hufe tun sowieso nichts zur Sache.
Ein Kommentar
JürgenHugo
Jaaa – die 2 von RTL bei Formel 1, DAS sind die Allerbesten:
„Nimmt der jetzt die weichen Reifen oder die ganz weichen?“
„Es kommen ja immer mal wieder ganz neue Zuschauer hinzu, deswegen…“
„Wir schalten mal gaaanz kurz zurück nach Köln zur Werbung, sie können aber den Splitscreen…“
Einsperren müßte man die – oder zumindest den Mund verbinden, aber die werden sogar noch gut bezahlt dafür… :???: