Buchsouvenir: Was mache ich mit dem Hindenburg?
In meinem Bücherschrank stehen noch eine Reihe von Erbstücken aus der Familie. Keine Bücher, an denen mein Herz hängt. Aber auch nichts, was ich so einfach wegschmeißen würde. Zum Beispiel den Hindenburg.
Der großformatige, in grünes Leinen gebundene Band ist anlässlich des Todes von Reichspräsident und Feldmarschall Paul von Hindenburg im Juli 1934 erschienen. Ein Nazi-Machwerk. Und ein Sammelalbum für Zigarettenbildchen. Sozusagen ein Panini-Album von damals. Die erste Seite ziert ein Farbdruck des Hindenburg-Porträts von Biber-Wasmuth, dann folgen salbungsvolle Worte, in denen auch „unser Führer Adolf Hitler“ erwähnt wird. Er habe seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, das deutsche Volk möge zu seinem toten Helden kommen.
Danach folgt auf mehr als 100 Seiten die Lebensgeschichte Hindenburgs. Sie wird durchsetzt mit Anekdoten und Charakterisierungen, deren Wahrheitsgehalt kaum noch zu überprüfen sein dürfte. Ein Beispiel: „Die Art aber, wie er Kritik übte, immer sachlich und ohne frei von Schärfe und Sarkasmus, wirkte wohltuend und gewann ihm die Herzen.“ Natürlich dürfen in einem Text über Hindenburg keine Kriegsberichte fehlen, deren Sprache und Ton uns heute sehr seltsam anmutet: „Mit rauchgeschwärzten Gesichtern, durch die Schweiß seine blassen Rinnen zieht, liegen die Jäger in und vor den qualmenden Häuserresten im Anschlag. Sie schießen und schießen, und jeder Schuss trifft und tötet sein Ziel.“ Ein Bericht aus der Schlacht bei Tannenberg.
Martialischer und schwülstiger Ton
Weil das Hindenburg-Buch aber ein Nazibuch ist, kommt darin natürlich Nazi-Propaganda vor. Der Reichspräsident habe auf seine alten Tage mit stiller Freude gesehen, wie unter des Führers Hand sich das Deutsche Reich zu neuer Blüte entfaltet habe. Was für eine schwülstige Formulierung. Und so geht es immer weiter.
Garniert wird der Text durch einige großformatige Farbdrucke, etwa mit dem Titel „Vormarsch im Granatfeuer“ und ebenso großformatigen Schwarzweiß-Fotos, darunter das berühmte vom Treffen Hindenburgs und Hitlers am Tag von Potsdam. Und schließlich ist das Buch gespickt mit Zigarettenbildchen. Es müssen hunderte sein. In kleinem Format, nichts für Leute mit schlechten Augen.
Das Buch ist herausgegeben worden von der Sturm-Zigaretten-Fabrik in Dresden, so ist es vorne vermerkt. Da schließt sich der Kreis. Denn die Fabrik hieß eigentlich Cigarettenfabrik Dressler. Vermarktet wurden die Glimmstängel unter dem Namen Zigarettenfirma Sturm, ihre Zigaretten sollten von den Mitgliedern der Sturmabteilung (SA) geraucht werden. Neben Sturm hießen die Zigarettenmarken Trommler, Alarm und Neue Front. Kein Wunder, dass ausgerechnet diese Firma ein Nazi-Album herausbrachte. Ob das dem toten Hindenburg gefallen hätte?
Vollständig mit Hindenburg-Bildern bestückt
Ich weiß nicht, aus welchem Teil meiner Familie das Album stammt. Es muss aber von einem starken Raucher kommen, denn die eingeklebten Zigarettenbildchen sind vollständig. Oder wurden sie getauscht, wie die oben erwähnten Paninibilder? Ich weiß es nicht. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass einer meiner Großväter Zigaretten geraucht hätte oder gar in der SA gewesen wäre. Mein Großvater mütterlicherseits rauchte Zigarren, davon kündet Mutters Fotoalbum. In der Familie meines Großvaters väterlicherseits waren meines Wissens alle Nichtraucher – ungewöhnlich für die Zeit. Es gibt zwar einen Zigarrenaschenbecher in Form eines Eisbären, aber der diente lediglich der Dekoration.
Nun liegt also der Hindenburg-Schinken bei mir. Er ist in recht gutem Zustand, nur die hinteren Seiten sind offenbar mal feucht geworden. Aber was mache ich jetzt damit? Ich bin immer mal wieder dabei, den Haushalt zu verschlanken. Und ich finde, der Hindenburg kann weg. Ich lese sowieso nicht darin und gucke mir auch die Bildchen nicht an. Nicht meine Welt.
Auf der Suche nach dem passenden Museum
Ich hatte kurz überlegt, das Buch mit dem Flohmarkt zu nehmen. Aber wer weiß, was für Leute ihn dann haben wollen. Immerhin könnte ich damit vielleicht einen guten Gewinn machen, im Internet werden vollständig Alben für bis zu 78 Euro gehandelt. Ins Museum geben? Aber in welches? Ich bin für jeden Tipp dankbar. Irgendwie muss das Album in gute Hände kommen. Ich will es bestimmt nicht vererben.